Donnerstag, 21. Dezember 2017

Lichtträger in dunkler Zeit


Jupiter und Chiron als Herrscher im Schützen

Wir sollten erkennen, dass unser Leben eine Phase im Prozess der menschlichen Entwicklung darstellt.
Wenn wir uns mit unseren persönlichen Problemen beschäftigen, entgeht unserem Bewusstsein oft,
dass deren eigentlicher Hintergrund unsere Aufgabe ist, die entwicklungsgemäßen Herausforderungen
unserer Zeit auf konkrete und individuelle Weise in den Brennpunkt zu bringen
.
Dane Rudhyar

Richard Tarnas Einwand gegen die voreilige Benennung des Planeten Uranus belegt eindrucksvoll, wie wichtig profunde mythologische Kenntnisse für Astrologen sind. [1] In einer Zeit, in der die Astrologie mit einer beinahe inflationär anmutenden Erweiterung ihrer Deutungsfaktoren konfrontiert wird, deren symbolischer Umfang und analoge Bedeutung noch unzureichend erforscht sind, scheint eine Rückbesinnung auf ihr mythologisches Fundament geraten. Ignoriert man die Erfahrung der Fehlbenennung des Planeten Uranus, könnten in Zukunft ähnliche Diskussionen um die Berechtigung der Namen der Kleinplaneten folgen. Im Moment basiert Chirons symbolische Bedeutung auf zwei Vorschlägen: einerseits auf seinem Bahnverlauf zwischen Saturn und Uranus, aufgefasst als Pontifax zwischen der körperlich-materiellen Sphäre Saturns und der geistig-immateriellen des Uranus. Andererseits hat sich die Diskussion auf Chirons Rolle als verletzter Heiler konzentriert. [2]
Über beide Auffassungen läßt sich trefflich streiten, vor allem aber hinsichtlich der Reduktion des mythologischen Chirons auf seine Verwundung und deren Konsequenzen für seinen Lebenslauf. Die Antwort auf die Frage, welchem Tierkreiszeichen Chiron zugeordnet werden muss, wurde bisher noch nicht entschieden, [3] obwohl die mit Chiron verbundene Symbolik, Mythologie und Ikonographie unzweideutig ist. Befragt man zu diesem Zweck die mythischen Erzählungen, stößt man auf eine Beziehung zwischen Zeus (Jupiter) und Chiron, die die zentralen Aspekte der Chiron-Mythologie darstellt: Chiron als Alter ego des Zeus, seine an Zeus gebundene Biographie und seine mit Zeus vergleichbare Funktion als Schamane, Lehrer und Wissenschaftler sowie die Aufgabe des Kentauren im Prometheus-Mythos, in dem Zeus und Chiron erneut zusammentreffen. [4] Zweifel an der Nähe Chirons zu Zeus-Jupiter und dem von ihm beherrschten Zeichen lassen sich, insbesondere mit Blick auf das alljährlich neu erfahrbare Phänomen der Schützequalität, leicht ausräumen. Für ihre Legitimation und für ihr Selbstverständnis benötigt die Astrologie eine genaue, und vor allem aber eine seriöse Kenntnis ihrer phänomenologischen und mythologischen Grundlagen; gleichzeitig gebührt ihr dabei das Verdienst, die Überlieferung der Mythen in lebendiger Anschaulichkeit zu garantieren. [5]

Donnerstag, 2. Februar 2017

Astrologie. Psychologie. Mythologie - Teil Vier


Das mythologische Bild beziehungsweise das astrologische Symbol wirkt von innen her als Ausdruck eines Verbundenheitserlebnisses von Mensch und Welt. Innerpsychische Energie und Lebendigkeit tritt erst dann ins Bewusstsein, wenn durch ein bestimmtes, kulturspezifisch geprägtes Erleben die Außenwelt als Bild im Inneren Wirklichkeit wird und auf die Außenwelt gestaltend zurückwirken kann. Der Mensch erschafft sich im Symbol seine eigene Wirklichkeit und erlebt durch das Sinnbild hindurch sein eigenes Selbst. Der Mythos spiegelt beides wider: innen und außen, die erlebte Welt und die von dieser Welt Besitz ergreifende Ich. Die astrologische Analyse verwendet Symbole beziehungsweise Ideogramme, die einerseits einprägsam sind, andererseits möglichst mit der Bedeutung und dem ideellen Inhalt des Deutungsfaktors korrespondieren. [42] Die Symbole der sieben klassischen Planeten - Sonne bis Saturn - haben die Jahrhunderte weitgehend unverändert überdauert. Die viel später entdeckten transsaturnischen Planeten - Uranus, Neptun und Pluto - oder die sogenannten Kleinplaneten - Chiron, Pholos und Ceres und andere - zu denen mittlerweile manche auch Pluto zählen, werden in ihrer symbolischen Bedeutung bereits akzeptiert, bevor gesicherte Daten und Erfahrungen vorliegen. Neu aufgenommene Deutungsfaktoren und neu vorgeschlagene Symbole bleiben in der Diskussion und werden sich - wie oben für Uranus angedeutet - erst allmählich in ihrer akzeptierten Bedeutung etablieren. [43] Die komplexen Horoskope, die Astrologen heutzutage verwenden, besitzen ausreichend Deutungsmöglichkeiten, sodass eine vorschnelle Erweiterung nicht dringend erforderlich ist.

Sonntag, 29. Januar 2017

Das Urbild des Rebellen


Uranus oder Prometheus im elften Zeichen und Haus?

Die Generalisierungen, die jetzt folgen, können nur helfen, eine Perspektive zu vertiefen
auf bestimmte Bildergruppen hin, aber sie können keine umfassende Erklärung
eines speziellen Bildes sein, das vielleicht in deinem Traum erscheint
.
James Hillman

Uranus! Wie hätten die Astronomen am Vorabend der Französischen Revolution den Neuen unter den Wanderern um die Sonne auch anders nennen können? Der Name für einen Archetypus, für die elfte kosmische Energie, [1] der immerhin Saturn im klassischen System der Astrologie die Zeichen- und Hausherrschaft im Wassermann streitig machte. Der Name Uranus, nur ein Zeitphänomen, entsprungen einer Augenblickslaune spezifischer historischer und politischer Verhältnisse, ein aktueller Trend? Über das persönliche hinausweisend, schreibt Thomas Ring, stellt Uranus in irgendeiner Form die Verbindung zum Zeitgeist her, sei es als Erfinder- oder Entdeckertätigkeit, in politischen oder kulturellen Umgestaltungen oder nur im Teil-haben an «Ismen» oder «typisch modernen» Lebensformen. Tieferes Erfassen des Zeitgeistes, dem Durchschnitt vorauseilend, führt praktisch zur Haltung des Unzeitgemäßen, gegen den Strom Schwimmenden, für die Masse nicht zu unterscheiden vom bloß Abseitigen, dem Sonderling. [2] Diese prinzipielle Definition enthält schon alle wesentlichen Kriterien der astrologischen Uranus-Signatur. Mehr zur Stellung von Uranus in der Astrologie zu sagen, ist eigentlich unnötig, wäre da nicht der fatale Irrtum der Astronomie, der zur Verwechslung der Muse Urania mit dem Schöpfergott Uranus führte, und der einem in der modernen Astrologie angewandten archetypischen Prinzip falsche Voraussetzungen verschaffte.

Freitag, 13. Januar 2017

Astrologie, Psychologie. Mythologie - Teil Drei


Gäbe es die Welt, wenn sie nicht erzählt würde? Mit dem Ursprung der Astrologie sind Erzählungen verbunden, deren Intention darin besteht, die Welt zu erklären, zu deuten und verständlich darzustellen.

Von allen Welten ist die erdachte die früheste.
Von allen Ursprüngen ist der gewollte der früheste.
Von allen Schöpfungen ist die Entstehungsursache die früheste
. [27]

Ursprünglich bezeichnete das indische Wort mãyã eine magische Kraft oder den durch eine solche Kraft manipulierten Gegenstand. In den Texten der Upanischaden und Vedãnta kennzeichnet mãyã dagegen die als Illusion oder Blendwerk aufgefasste materielle Welt, die so lange als wirklich angesehen wird, bis diese Perspekive durch eine höhere Erkenntnis aufgehoben wird. [28] Wie die indische Philosophie entlarvte auch der chinesische Daoismus die verbreitete Neigung des Menschen, das fehlzudeuten, was ist, die ihn umgebende Welt der Gegenstände und Situationen, die ihm qua Konvention als wahr vermittelt wurde. In den Erkenntnissen der Quantentheorie ausgedrückt: Ein Phänomen ist so lange nicht real, bis ein Beobachter es aus der Anonymität hebt und ihm die Züge seine Subjektivtät verleiht. Die Illusion der Wirklichkeit ist die Ursache eines leiderfüllten Daseins, lehrt der Buddhismus, das allein durch die Unkenntnis (ind. avidyã) über die wahre Natur der Wirklichkeit entsteht. Alle Probleme des modernen Menschen entstehen aus den Illusionen, die er sich über sich selbst, seine Umgebung und seine Existenz macht. In einer Episode in dem Roman Pu baut ein Haus entschließen sich Pu und Ferkel für I-Ah ein Haus an einen geschützten Platz zu bauen. Als willkommenes Baumaterial verwenden sie einen, am Waldrand aufgestapelten Haufen Stöcke, woraus sie das Haus bauen. Als I-Ah später seinen Haufen Stöcke, das heißt sein Haus, nicht mehr findet, macht er sich auf die Suche danach und trifft auf Pu und Ferkel:

Sonntag, 25. Dezember 2016

J.R.R. Tolkien - ein Astro-Porträt


Im Inneren der Sprache


»Remember what is gone -
The magic sun that lit Kortirion!«

J.R.R. Tolkien

John Ronald Reuel Tolkien war Professor für englische Sprache an der Universität Oxford (Foto J.R.R. Tolkien). Schon in seiner Jugend interessierten ihn altenglische und altnordische Mythen, Sagen und Märchen sowie phantastische Erzählungen. Während seiner Schulzeit vertiefte er seine philologischen Interessen und entdeckte die altenglische Literatur, vor allem das altenglische Versepos Beowulf. Er beschäftigte sich mit den mittelalterlichen Versdichtungen Sir Gawain and the Green Knight, Pearl und Orfeo, die er später bearbeitet neu übersetzte. Schließlich wandte er sich auch dem Altnordischen und dessen Mythologie sowie den isländischen Sagas zu, die er im Original las. Seine linguistischen Kenntnisse, seine Experimentierfreude sowie sein Gefühl und Talent für Sprachen ermöglichtem ihm seit seiner Schulzeit, eigene, künstliche Sprachen zu erfinden, die er später für seine erfundenen Kulturen Mittelerde, Beleriand oder Númenor perfektionierte. Erst postum veröffentlichte sein jüngster Sohn Christopher die Geschichte hinter der Geschichte seiner Erzählungen The Hobbit und The Lord of The Rings unter dem Titel The Silmarillion in überarbeiteter und vervollständigter Form. Seine Arbeit am Silmarillion begann Tolkien bereits nach seiner Rückkehr aus den Schützgräben der Somme um 1916. Mit diesem Werk, dass in zahlreichen Versionen existiert, begann ein lebenslanger Prozess, den er nicht beenden konnte. Vor dem Hintergrund der Überlieferungen, von denen er im Simarillion erzählt, entfaltet sich sein gesamtes erzählerisches Werk. Er selbst erklärt in seiner Allegorie Leaf by Niggle (1945) seine Arbeitsweise: Sein Protagonist Tüfftler bemüht sich vergeblich einen fantastischen Baum zu malen. Doch sein Meisterwerk wird nicht fertig, da er Blätter besser malen kann, als Bäume. Einige seiner sprach- und literaturwissenschaftlichen Beiträge gelten als bedeutende und wegweisende Beiträge zur Philologie; beispielsweise sein Essays Beowulf: The Monsters and the Critics (1936) und Über Märchen (1939).

Mittwoch, 19. Oktober 2016

Astrologie. Psychologie. Mythologie - Teil Zwei


Das mythologische Fundament der Astrologie ist ein doppeltes und eng an die historischen und kulturellen Bedingungen gebunden, die mit den indoeuropäischen Migrationen seit dem dritten vorchristlichen Jahrtausend in Europa begannen. Im Verlauf dieser Völkerwanderungen nach Europa entstand die Zivilisation und Mythologie der Kelten in Westeuropa, die der Griechen in Südeuropa und zuletzt die der Germanen in Nord- und Mitteleuropa aus der Synthese vorgefundener und importierter religiöser und philosophischer Vorstellungen. In diesen Schmelztiegel der Kulturen und Überzeugungen geriet die von den handeltreibenden Bevölkerungen der Ägäis aus dem Vorderen Orient nach Europa eingeführte Astrologie, bildeten sich die kulturspezifischen mythologischen Quellen, aus denen die Astrologie im Bemühen um ein Verständnis des Menschen bis heute schöpft. Die Symbolik der modernen Astrologie, die im antiken Griechenland ihre erste, im europäischen Mittelalter eine zweite Transformation und in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihre dritte Veränderung auf europäischem und angloamerikanischen Boden erfuhr, entstand ihr Symbolsystem ganz in Abhängigkeit von diesen orientalischen und indoeuropäischen Traditionen. Die Griechen waren die ersten, die die für eine Rezeption in einer anderen kulturellen Umgebung und Sprache notwendigen Korrekturen der Symbole, ihrer Bedeutung und des erforderlichen klassifikatorischen Rahmens vornahmen. Von erheblichen astronomischen Verbesserungen einmal abgesehen, modifizierten die Griechen die übernommene orientalische Symbolik indoeuropäisch. Die eingeführten Neuerungen und Veränderungen bezogen sich auch auf die Namen der Tierkreiszeichen und Planeten, die der griechisch-römischen Mythologie entnommen wurden, einer Variante der eurasischen Mythologien der Indoeuropäer, zu denen die Griechen, Kelten, Römer, Inder und Germanen gehören. Wie das Alphabet von den Phöniziern, übernahmen die Griechen die Astrologie der Babylonier und Ägypter und gaben ihr die im wesentlichen noch immer gültige Form. Gleichzeitig formulierte das antike Griechenland erstmals Zweifel an der Gültigkeit der zentralen These babylonischer Astrologie, dass die Götter mit den Vorgängen am Himmel den Menschen ein Zeichen geben wollten. Was dem Astrologen Babylons als Omen galt, so die Erkenntnis griechischer astronomischer Beobachtung und Philosophie, folgte vorausberechenbaren planetaren Bewegungen und Zyklen. Schon Platon entzog der in der heutigen Vulgärastrologie noch vertretenen Meinung den Boden, dass die Astrologie verlässliche Omendeutung sei. [21] Im zweiten Jahrhundert rehabilitierte dann Claudius Ptolemäus die Astrologie, präsentierte ein überarbeitetes Symbolsystem, das er im Tetrabiblos als eine Krone des Menschengeschlechts und ihre ehrwürdige Weisheit als ein Zeugnis Gottes [22] preist. Er leitet so zur klassischen Astrologie des Mittelalters über, die im 20. Jahrhundert durch die ausführliche Revision von Thomas Ring in ihre moderne Form als psychologisch basiere Astrologie überführt wurde. [23]