Jupiter und Chiron als Herrscher im Schützen
Wir sollten erkennen, dass unser Leben eine Phase im Prozess der menschlichen Entwicklung darstellt.
Wenn wir uns mit unseren persönlichen Problemen beschäftigen, entgeht unserem Bewusstsein oft,
dass deren eigentlicher Hintergrund unsere Aufgabe ist, die entwicklungsgemäßen Herausforderungen
unserer Zeit auf konkrete und individuelle Weise in den Brennpunkt zu bringen.
Dane Rudhyar
Richard Tarnas Einwand gegen die voreilige Benennung des Planeten Uranus belegt eindrucksvoll, wie wichtig profunde mythologische Kenntnisse für Astrologen sind. [1] In einer Zeit, in der die Astrologie mit einer beinahe inflationär anmutenden Erweiterung ihrer Deutungsfaktoren konfrontiert wird, deren symbolischer Umfang und analoge Bedeutung noch unzureichend erforscht sind, scheint eine Rückbesinnung auf ihr mythologisches Fundament geraten. Ignoriert man die Erfahrung der Fehlbenennung des Planeten Uranus, könnten in Zukunft ähnliche Diskussionen um die Berechtigung der Namen der Kleinplaneten folgen. Im Moment basiert Chirons symbolische Bedeutung auf zwei Vorschlägen: einerseits auf seinem Bahnverlauf zwischen Saturn und Uranus, aufgefasst als Pontifax zwischen der körperlich-materiellen Sphäre Saturns und der geistig-immateriellen des Uranus. Andererseits hat sich die Diskussion auf Chirons Rolle als verletzter Heiler konzentriert. [2]
Über beide Auffassungen läßt sich trefflich streiten, vor allem aber hinsichtlich der Reduktion des mythologischen Chirons auf seine Verwundung und deren Konsequenzen für seinen Lebenslauf. Die Antwort auf die Frage, welchem Tierkreiszeichen Chiron zugeordnet werden muss, wurde bisher noch nicht entschieden, [3] obwohl die mit Chiron verbundene Symbolik, Mythologie und Ikonographie unzweideutig ist. Befragt man zu diesem Zweck die mythischen Erzählungen, stößt man auf eine Beziehung zwischen Zeus (Jupiter) und Chiron, die die zentralen Aspekte der Chiron-Mythologie darstellt: Chiron als Alter ego des Zeus, seine an Zeus gebundene Biographie und seine mit Zeus vergleichbare Funktion als Schamane, Lehrer und Wissenschaftler sowie die Aufgabe des Kentauren im Prometheus-Mythos, in dem Zeus und Chiron erneut zusammentreffen. [4] Zweifel an der Nähe Chirons zu Zeus-Jupiter und dem von ihm beherrschten Zeichen lassen sich, insbesondere mit Blick auf das alljährlich neu erfahrbare Phänomen der Schützequalität, leicht ausräumen. Für ihre Legitimation und für ihr Selbstverständnis benötigt die Astrologie eine genaue, und vor allem aber eine seriöse Kenntnis ihrer phänomenologischen und mythologischen Grundlagen; gleichzeitig gebührt ihr dabei das Verdienst, die Überlieferung der Mythen in lebendiger Anschaulichkeit zu garantieren. [5]
Camille Claudel: Ein Leben im Zeichen des Schützen
Die französische Bildhauerin Camille Rosalie Claudel wurde am 8. Dezember 1864 im Zeichen des Schützen geboren.[6] Ihre Biographie, ihr leidenschaftlich künstlerisches und cholerisches Temperament, ihr von philosophischen und gesellschaftskritisch tiefgehenden Fragen durchzogenes Werk, ihr tragisches Scheitern an einem engen familiären und gesellschaftlichen Rahmen, der ihr als Frau und als Künstlerin im Frankreich des vorigen Jahrhunderts zugestanden wurde, zeigen ihr deutlich zwischen Jupiter und Chiron oszilierendes biographisches Profil. [7]
Der niederländische Maler Johfra hat die Symbolik des Tierkreiszeichens Schütze in ein Bild gebannt: In einem sturmgepeitschten Wolkenstrudel thront der Götter-König Jupiter, der Herrscher im Schützen, und entzündet Blitze schleudernd den Pfeil bewusstseinserweiternder Erkenntnis, den ihm ein Kentaur entgegenstreckt. [8] Dieses Bild hat die Atmosphäre eines besonderen Wintertages eingefangen: Während Winterstürme Wolkenberge über Tardenois türmten, erblickte die Bildhauerin Camille Claudel das Licht der Welt. Im nur noch schwachen Licht des bevorstehenden Winteranfangs erhellte der brennende Pfeil des Kentaurs den wolkenbehangenen Himmel der Champagne; an diesem Tag trat eine Frau ins Leben, die trotz anhaltender Behinderung, trotz der mannigfachen Verletzungen in ihrem Frau- und Künstler*innensein die nach Freiheit und Erkenntnis drängenden Impulse Jupiters begierig aufgegriffen hat.
Wahrscheinlich 1888, vier Jahre bevor sich Camille Claudel von Auguste Rodin trennte, entstand der Entwurf für die zwischen 1901 und 1904 entstandene Marmorplastik La Centauresse, in der Auguste Rodin den inneren Konflikt seiner Geliebten entsprechend der Tierkreissymbolik des Schützen ins Bild setzte. [9] Rodins Plastik einer Kentaurin, die sich verzweifelt an einem Baumstamm zerrend bemüht, ihrem tierischen Unterleib zu entfliehen, dieses Wesen, halb Pferd, halb Frau, versucht voll Sehnsucht dem Tierkörper (der Erde) zu entkommen. Marie Luise Kaschnitz hat die leibliche Ambivalenz des Chiron als den menschgestaltigen Heiland und Göttersohn beschrieben, der sich aus dem erdverbundenen Mischwesen löst. [10] Auguste Rodin versteht es ausgezeichnet in seiner Plastik, das Camille seit ihrer Kindheit stark herausfordernde Lebensthema anzusprechen, zumindest hat er es gespürt, denn sonst wäre ihm das plastische Bild der Kentaurin am Ende seiner Beziehung zu ihr kaum in dieser symbolischen Dichte gelungen. Sehr sensibel stellt er in seiner Skulptur diese von der mythologischen Figur Chiron gespiegelte schmerzhafte Diskrepanz, das Halbgöttern zugedachte Schicksal dar, zwischen dem irdisch verwurzelten, animalischen Leib (dem Materialismus der Erde) und dem zu höchsten Zielen strebenden Geist (dem Feuer der Intuition) ausgespannt zu sein. Aber gerade der psychischen Dynamik dieses Konfliktes - den Friedrich Nietzsche einmal lapidar mit dem Satz: Der Mensch ist das kranke Tier umschrieb - verdankt Camille Claudel ihre menschlichen und künstlerischen Höhepunkte, aber auch ihr persönliches Scheitern.
Chiron als Mitherrscher im Schützen
Das Herrschersystem repräsentiert eine alte astrologische Deutungsmethode, die weiterhin angewendet wird. Als Herrscher oder Dispositor eines Zeichens oder Hauses bezeichnet man den Planeten, der einem Tierkreiszeichen oder Haus zugeordnet ist, in dem er dominant steht, beziehungsweise denjenigen Planeten, dessen Zeichen eine Häuserspitze anschneidet. Mars herrscht bespielsweise im Widder (Skorpion) oder im ersten Haus, Jupiter in Schütze (Fische) oder im neunten Haus, während Merkur in den Zwillingen und in der Jungfrau respektive den entsprechenden Häusern und so weiter herrscht. Die konsequente Anwendung des Herrschersystems offenbart nicht nur den gesamten Energieverlauf der Anlagen, Fähigkeiten und Potentiale eines Horoskops, das Herrschersystem zeigt auch deutlich die Wechselwirkungen zwischen den vier Quadranten als Teilbereichen des menschlichen Leibes (Körper, Seele, Geist, Bewusstsein). [11] Die Möglichkeit einen Dispositorenherrscher oder Enddispositor an der Spitze einer Dispositorenkette zu ermitteln, zeigt die Energieverteilung in einem individuellen Horoskop: Bei einer Schütze-Sonne beispielsweise ist Jupiter der direkte Zeichenherrscher, dessen energetische Qualität aber durch Mars beeinflusst wird, der in den Zwillingen steht, und auf Jupiter verweist. Mars wäre in diesem einfachen Beispiel Enddispositor, doch es entstehen weitaus komplexere Dispositorenketten.
Als vor über 250 Jahren der erste Transsaturnier, Uranus, entdeckt wurde, entstand die Notwendigkeit Mitherrscher einzuführen (insbesondere für die Tierkreiszeichen Skorpion, Wassermann und Fische). Charles Kowal entdeckte am 1. November 1977 einen Planetoiden mit Schweif, dessen Kerndurchmesser rund 180 Kilometer beträgt, inklusive der Koma, die ihn umgibt. Dieser Chiron genannte Himmelskörper gehört zu der Gruppe der Kentauren, und kreist auf einer stark elliptischen Bahn zwischen Saturn und Uranus um die Sonne. Für Chirons Zugehörigkeit zu einem der zwölf astrologischen Prinzipien wurden verschiedene Vorschläge publiziert: Waage, der ganze Bereich Skorpion-Schütze, Schütze, Zwillinge, Jungfrau oder Wassermann. (...) Es gibt noch eine weitere Sichtweise, nämlich die, dass Chiron im Zeitalter des Wassermanns den tropischen Schützen beherrschen wird und nicht die siderische Waage, da diese beiden zusammenfallen werden. [12]
Der Kentaur ist zweifellos das Symbolzeichen des Schützen, und für die Zugehörigkeit Chirons zum Schützen lassen sich auch schlüssige Argumente zusammenstellen. In der ersten Untersuchung über den neu entdeckten Chiron schlägt schon Zane B. Stein vor, ihn als Mitregenten, wie zuvor Uranus, Neptun und Pluto, in das astrologische Klassifikationssystem aufzunehmen. Er könnte dabei eine ganz bestimmte Facette eines Zeichens repräsentieren, und einen enger begrenzten Bereich der Deutung abdecken. [13] Während der Hauptplanet generell den entsprechenden Archetypus symbolisiert, wäre Chiron dessen kleinerer Bruder. Zane B. Stein legt sich aber nicht näher fest, wessen kleinerer Bruder beziehungsweise Halbbruder, Chiron sein könnte. Statt dessen vermutet er, dass Chiron eine Beziehung zu mehreren Tierkreiszeichen unterhält. Verschiedene Zeichenherrscher, schreibt er, besonders aber Venus (Waage) und Jupiter (Schütze), schickten nach Chirons Hilfe. [14] Seine Gründe, Chiron der Waage und damit Venus zuzuordnen, verschweigt er, und auch in der Mythologie finden sich keine brauchbaren Belege für diese Annahme. Sein zweiter Vorschlag, Chiron als Facette des Schützen und als dessen Mitregenten anzusehen, ist mythologisch betrachtet überzeugend und verifizierbar.
Auch Liz Greene diskutiert die Ansicht, ob Chiron als Mitherrscher im Schützen in Frage kommen könnte. Trotz überzeugender Argumente für diese Mitherrschaft äußert sie sich zurückhaltend. [15] In einem anderen Zusammenhang kommentiert sie die symbolische Affinität von Chiron und Jupiter, verneint aber überraschend den Zusammenhang Chiron - Schütze. Sie hält es für schwierig, diese Identifizierung allein über die Jupiteraffinität herzustellen. Vordergründig, so argumentiert sie, interessiert den Schützen am menschlichen Leid und Mitleid nur deren Sinnhaftigkeit, während Chiron – existenziell betroffen - weit über dieses abstrakte Interesse hinausgeht. [16] Die Antwort auf die Frage, warum jemand, der existenziell betroffen ist, nicht nach der Sinnhatigkeit dieser Betroffenheit fragt, bleibt sie ihren Lesern schuldig. Chirons mythologische Rolle als Myste, Initiand und in der Folge als Schamane und Mysterienbegründer, die Marie Luise Kaschnitz anschaulich herausgestellt hat, kommt bei dieser Sicht zu kurz: Wild war er und rauh zu Beginn, weiblüstern und toll wie die anderen Kentauren, und diesem die Knaben anzuvertrauen hieß wohl, sie der wilden Natur anheimzugeben zu Gedeih und Verderb. Denn die wilden Männer der Berge bedeuten ja nichts anderes, als die urgewaltigen und verheerenden Kräfte der Natur. Sie peitschen das Wasser, ihr Atmen ist der Sturm, ihr dröhnender Hufschlag der Donner und das Beben der Erdtiefe. Dem Ansturm müssen die Knaben standhalten, im Wettkampf mit ihnen müssen sie ihre Kräfte erproben. Wer sich an der Mutterbrust der Natur nicht sättigen kann, wer nicht lernt, Heilsames von Schädigendem zu unterscheiden, wer nicht mit wachen Sinnen und gelenken Gliedern seine Nahrung greift, der ist verloren und bald vergessen. Die siegreich Zurückkehrenden aber finden sich zu großen Taten bestimmt. [17] Eindeutiger als Liz Greene legen sich Melanie Reinhart und Judy Hall in der Wahl des Tierkreiszeichens fest: Ich glaube, schreibt Melanie Reinhart, der Planet (Chiron, H.W.J.) symbolisiert vor allem folgendes: den Geist philosophischer Unabhängigkeit, Mitgefühl angesichts unseres Leidens und die Entwicklung unseres Vertrauens auf unseren inneren Lehrer oder Führer. [18] Philosophie, Mitgefühl und Vertrauen auf die Weisheit einer inneren Stimme: könnte man den Herrscher im Schützen (beziehungsweise in den Fischen) besser charakterisieren? Die Verbindung Chirons mit Jupiter ist unproblematisch. Doch wie lässt sich seine Beziehung zum Tierkreiszeichen Schütze plausibel erklären? An dieser Stelle die entsprechenden Argumente vorzustellen, ist für die aktuelle Diskussion äußerst lohnend.
Lichtträger in dunkler Zeit
Die griechische Mythologie überliefert uns eine ganze Reihe von Halbwesen, mehrgestaltige Wesen, die aus Körperteilen verschiedener Tiere und Menschen zusammengesetzt sind, wie beispielsweise die Sphinx, das geflügelte Ross Pegasos, die Chimaira, die Hydra oder der Kerberos. Die meisten von ihnen bewegen sich auch durch die orientalischen Mythologien und sind dem Menschen meist feindlich gesinnt. Aber nicht alle sind böse, und es gibt auch prominente und liebenswürdige Mischwesen wie den Kentauren Chiron, pferdegestaltig, mit dem Kopf und Oberkörper eines Menschen. Chiron war der bedeutendste der Kentauren, ein berühmter Philanthrop, Pädagoge und Arzt des griechischen Altertums. Menschen wie Götter bewunderten seine Güte, seine Weisheit und seine geistige und moralische Größe.
Die Ikonographie des Tierkreiszeichens Schütze bezieht sich auf den berühmtesten der Kentauren, auf Chiron selbst. [19] Das Bild des Schützen, das die Astrologie als Symbol verwendet, trägt alle notwendigen Merkmale: die Mischgestalt des Kentauren, den für Chirons Schicksal wichtigen Pfeil sowie seine Sehnsucht, unvollkommen Irdisches in vollkommen Geistiges zu transzendieren. Als ein Lichtträger entzündet der wolkenthronende, himmelbeherrschende Zeus-Jupiter den brennenden Pfeil des Schützen, eine Tat, die wie die Tat des Christus auf Golgatha, Zukunft immer wieder neu ermöglicht.
Der Pfeil des Schützen Chiron ist göttliche Insignie (Würdezeichen) und, psychologisch gedeutet, männliches Symbol. Pfeil und Speer sind oft Attribute bestimmter Götter, wie beispielsweise der Speer Óðinns oder der des Zeus, wobei er bei beiden - indoeuropäischer Tradition entsprechend - auch als Blitz oder als Donnerkeil auftritt. Auch die Pfeile Apollons lassen sich mit Óðinns Speer vergleichen. In Bezug auf Gungni - Óðinns Speer - heißt es bei Paul Hermann: Zur altertümlichen Ausrüstung des Gottes gehört sein Speer; es ist der Blitz, den er aus der dunklen Wolke hervorschleudert. Aber frühzeitig ward die Waffe Symbol des Toten- und Schlachtengottes. Er heißt Gungni; heilige Runen sind auf seine Spitze geritzt. Ihn schleudert Odin und schießt ihn unter das Volk bei dem ersten Kriege, dem der Asen und Wanen, ihn schwingt er in der Hand, als er beim letzten Kampf gegen den Wolf losstürmt. [20]
Wesentliches Merkmal dieser Waffen sind Zielen und Treffen. Besonders ausgeprägt ist diese Eigenschaft im Wurfspeer, der Waffe des jungen Parzivals. Übertragen aufgefasst, lässt sich diese Charakteristik als Zielgerichtetheit oder Zielbewusstheit verstehen, als das Ins-Auge-Fassen oder Erreichen ferner Möglichkeiten. Psychologisch könnte man die Charakteristik dieser Waffen mit der Intuition vergleichen. Im Gegensatz zu der trennenden Funktion des Schwertes – der unterscheidenden Fähigkeit des Denkens - »treffen« Pfeil und Speer einen bestimmten Punkt. Beide zielen auf das Wesentliche, auf ein Zentrum, auf das sich ihre Spitze richtet, vergleichbar dem telum passionis, jenem Wurfgeschoß der Leidenschaft, das der alchemistische Mercurius aussendet.
Im indischen Nationalepos, dem Mahābhārata, trägt Arjuna den Pfeil des Schützen. Arjuna, dessen Name ein sprechender ist, bedeutet einer, der sich aufrichtig bemüht. Seine Fähigkeiten ergänzen die seiner vier Brüder, besonders die von Bhima, der ständig von seinen Gefühlen überwältigt wird. Arjuna beherrscht die Konzentration auf einen Punkt; daher seine Begabung zum Bogenschießen, seine Treffsicherheit mit Waffen überhaupt. Auch in der Liebe vermag er die Herzen der Frauen zu treffen (vgl. den Pfeil des Eros-Cupido). Besonders deutlich schildert die Bhagavad Gita, ein spirituelles Gedicht und Teil des Mahābhārata, Arjunas jupiterhafte Rolle im Weltgeschehen. In seinen Gesprächen mit Krishna entsteht eine Situation, die Óðinns Runenerwerb und der schicksalhaft-evolutiv unvermeidbaren Götterdämmerung gleicht, beides Themen, die an anderer Stelle aufgegriffen werden: In der Gita wird Arjuna ein Wissen zuteil, das ihn weit über das bisherige erhaltene vedische Regelwissen sowie das kultische und spirituelle Wissen seiner Zeit hinausführt: Er erhält hier universales Menschheitswissen, das zu allen Zeiten gültig ist, das aber hier für eine neue Welt und eine neue Menschheit, die nach diesem Krieg und nach Arjuna kommen wird, neu formuliert wird und in eine Botschaft der Liebe einmündet, die so weit in die Zukunft weist und ihn so tief im Herzen berührt, dass er sie in seinem weiteren Leben nach dem Kampf weder verstehen noch verarbeiten noch umsetzen kann. Aber die inspirierende Kraft Krishnas erreicht ihn dennoch für den Moment: Er erklärt Krishna, dass seine Zweifel bereinigt seien und er bereit sei zu kämpfen. Kämpfen – das bedeutet hier die Bereitschaft, die Schlacht des Lebens zu schlagen, seine Aufgabe zu erfüllen und dazu Versagensängste und andere Begrenztheiten des eigenen Egos und persönlicher Emotionen zu überwinden. [21]
Die Identität des am Winterhimmel stehenden Schützen mit Chiron war schon in der Antike nicht unumstritten. Zeus selbst, so erzählten die Griechen, machte ihn nach seiner Erlösung im Sternbild des Kentauren unsterblich: Wenn im Frühjahr am Südhimmel, knapp über dem Horizont der Kentaur aufsteigt und seine Vorderfüße mit den Riesensternen Alpha- und Beta-Centauri zeigt, ist der Wolf nicht fern. [22] Bereits auf den ältesten Sternkarten wurde der Kentaur mit Wolfsfell und als Bogenschütze dargestellt. Ob das Wolfsfell an die animalische Natur und Wildheit der Kentauren erinnert oder an die Wölfe Geri und Freki, die Óðinn, als germanischen Zeus, auf die Walstatt begleiten, muss offen bleiben. Jedenfalls hat auch Johfra in seinem Bild des Schützen das Fell, wenn auch als Widdervlies, nicht vergessen, vielleicht um daran zu erinnern, dass der Kreis der Feuerzeichen, der mit dem Widder beginnt, im Schützen endet, wo er in der Intuition die höchste Stufe erreicht. [23] Insbesondere Eratosthenes hält das Tierkreiszeichen Schütze nicht für Chiron, sondern für das Bild des Satyrn Krotos, den Sohn der Eupheme, der Erzieherin der Musen. Einschränkend räumt er allerdings ein, dass seine Meinung von Zeitgenossen nicht allgemein geteilt wurde. [24] Im gleichen Zusammenhang ist Hyginus erwähnenswert, der das Sternbild Kentaur unumwunden mit Chiron identifiziert. [25] Auch Liane Keller setzt Sagitarius mit Chiron gleich, indem sie am beobachtbaren Phänomen anknüpft, und Chirons Unterwelt- und Himmelfahrt mit der immer mehr abnehmenden Helligkeit der Sonne vergleicht, die am Ende des Schützen die Wintersonnenwende erreicht hat. Möglicherweise war die antike Diskussion um die Identität Schütze-Chiron rein akademisch. Wie weitaus ältere Quellen als die eben zitierte des Eratosthenes belegen, geht die Gestalt des Kentauren auch nicht auf die Griechen zurück, sondern taucht, erstmals schriftlich fassbar, in der Babyloniakades des Bel-Priesters Berosus aus Babylon (geb. zwischen 350-340 v.Chr.) auf. [26] Berosus behauptet, es habe eine Zeit gegeben, wo das All Finsternis und Wasser war, und darin wären merkwürdige und sonderbar gestaltete Lebewesen entstanden: ( ...) ferner Menschen mit Ziegenschenkeln und Hörnern, solche mit Pferdefüßen, die hinten Pferd, vorn Mensch waren, wie Hippozentauren gestaltet. [27] Sehr wahrscheinlich entstand die griechische Vorstellung des Kentauren als die Synthese von Natur und Kultur also durch orientalischen Einfluss auf das noch im mythischen wurzelnde, griechische Denken. [28] Ganz aufzulösen ist der Widerspruch nicht, ob Zeus Chiron nun im Sternbild Kentaur oder im Schützen unsterblich machte. Allerdings liegt die Vermutung nahe, dass das Sternbild Sagitarius in der Gestalt des Kentauren unverändert aus der babylonischen Astrologie übernommen wurde, und mit der Chiron-Mythologie einen neuen kulturspezifisch adäquateren Rahmen erhielt.
Chiron und Zeus haben den gleichen Vater (griech. Kronos; lat. Saturn) und Großvater (griech. Ouranus; lat. Uranus). Zeus ist der jüngste Sohn des Titanen und dessen Schwester Rhea. In der Theogonie berichtet Hesiod von deren Elternschaft folgendes: Rheia, von Kronos bezwungen, gebärt glänzende Kinder und den allweisen Zeus, den Vater der Götter und Menschen, von dessen Donner die weite Erde erschüttert wird. [29] Mit der Okeanide Philyra zeugte Kronos den Chiron in Thessalien. Beim Liebesakt von seiner Gemahlin Rhea überrascht, verwandelte sich Kronos in einen Hengst oder Philyra auf der Flucht in eine Stute; hier bleibt die Mythologie vage. Sein Sohn Chiron wird in einer Gestalt, halb Mensch und halb Pferd geboren. Philyra war entsetzt über das Aussehen ihres Kindes und erbat sich von Zeus eine andere Gestalt, der sie in eine Linde (oder Silberpappel) verwandelte. Chirons erste Verletzung, so meint auch Howard Sasportas, ist die Zurückweisung durch seine Mutter; wo er in einem Horoskop steht, ist auf den Lebensbereich hingewiesen, indem wir jeder Zurückweisung gegenüber empfindlich sind. [30]
Andere Versionen erzählen, dass Apollon sich des ungeliebten Chirons als Pflegevater annahm, ihn in sein Wissen einweihte oder dass sich Philyra und ihr Sohn in eine Höhle des Pelion-Gebirges zurückzogen. Zeus und Chiron sind Halbbrüder: Zeus, der hochaufgestiegene, legitime Nachfolger der Titanendynastie, Chiron, der ungeliebte, ausgestoßene und missgestaltete Bastard, dessen Zeugung schon nichts mit Liebe oder Legitimität zu tun hatte. [31] Chiron war von Anfang an ein Ausgestoßener, ein Maverick, wie Zane B. Stein den Kleinplaneten zwischen Saturn und Uranus charakterisierend genannt hat. Betrachtet man die beiden hinsichtlich ihrer Herkunft und Sozialisation so unterschiedlichen mythologischen Gestalten genauer, und vergleicht die sie charakterisierenden Fähigkeiten, so liegt die Annahme nahe, Chiron als ein Alter ego von Zeus aufzufassen. Wegen seiner großen Weisheit und Gerechtigkeit (Merkmale des astrologischen Jupiter) wird Chiron zum König der Kentauren berufen. Auch seine Gelehrsamkeit und sein Ruf als Forschender, Magier, Heiler und Lehrer ist so groß, dass man sogleich an seinen Halbbruder Zeus denkt. Dieser wird gerade durch seine Kämpfe gegen die Mächte der Dunkelheit - des die Schöpfung bedrohenden Chaos - zum großen Heiler, zu einem Lichtträger in finsterster Zeit, zum Prinzip der Gesundung des Kosmos schlechthin. Was Zeus auf der kosmischen Ebene vollbringt, verwirklicht Chiron auf der irdischen. Erst nachdem er die Demütigung und den Makel seiner Abstammung und seiner Gestalt überwunden hat, verbindet er sich wirklich mit den Unsterblichen.
In seinem Buch Astrologie erläutert Johfra die esoterische Bedeutung des Schützen: Wenn der Schütze sich durch die Begeisterung so weit entwickelt, daß er seinen Hengstkörper vergißt, dann wird er weise und geläutert. (...) Dann ist er aber auch der mythologische Zentaur Chiron, der weise Kentaur, der Lehrer des Asklepios, wie vieler Helden wie Herakles, Achilleus und Aeneas. Er wird zum »Eremit«, der neunten Tarotkarte, der als umherziehender Weiser mit der Lampe seiner Belehrungen den Pfad anderer Menschen erhellt. [32] Die Beziehung zwischen Kentaur und umherziehenden Weisen, auf die Johfra hier aufmerksam macht, ist ein erster Hinweis auf die Verbindung zwischen Chiron, Schütze und Jupiter. Der Archetyp des weisen Wanderers, umherziehend mit Hut, Stab (Speer) und grauem Mantel, ist eine vertraute Gestalt im indoeuropäischen Götterpantheon, die ganz besonders gut in der Person des nordgermanischen Óðinns zu Ausdruck gekommen ist. Zuletzt hat J.R.R. Tolkien diesen Archetyp in Gandalf dem Zauberer im Herrn der Ringe zu neuem Leben erweckt. Die Darstellung des Schützen als Kentaur, ergänzt Michael Aschenbrenner die Beobachtung Johfras, bedeutet nicht nur den Kampf gegen äußere Gewalten, sondern auch gegen das, was den Menschen im Inneren in die Erdenschwere hinabzieht, gegen seine niederen Triebe (seinen Hengstkörper; HWJ), gegen die Tierheit in ihm selbst. [33] Auch Stephen Arroyo sieht im Schützen die biographische Dramatik Chirons repräsentiert: die Mischung des Physischen mit dem Nicht-Physischen, der materiellen Bedürfnisse und Wünsche mit den Träumen und moralischen Vorstellungen, auf die der Pfeil des Schützen, in Glück und Leid unaufhörlich zielt. [34] Chiron, dem die Mythologie die Zuständigkeit für die Kriegsführung und die Heilkunst zuweist, versöhnt Gegensätze, indem er die Fusion der animalischen mit der geistigen Seite des Menschen repräsentiert. In einem Vortrag von 1984 weist Liz Greene auf diese charakteristische Ambivalenz Chirons in der Erfahrung des Schützen hin und bringt sie mit Chirons Verletzung in Verbindung. Sie weist darauf hin, dass das Leiden des Schützen mit seinen Instinkten, mit seiner Beziehung zum Erdhaften zusammenhängt. Chirons Wunde passt nicht zu Jupiters scheinbar so makellosen Weltanschauung, die grenzenlos ist. Eine solche Beschädigung, der Schatten des Schützen, stört das Bild der auf Optimum und Erweiterung drängenden Energie des neunten Tieerkreiszeichens. In dem sterblichen, animalischen, instinktgebundenen, naturhaften Teil seiner selbst liegt ein dauernder Schmerz, den Chiron pars pro toto repräsentiert. Er wird am stärksten, wenn er auf seinem spirituellen Höhenflug am weitesten gekommen ist. [35] Der Schmerz des Schützen ist die Begrenztheit des Lebens im allgemeinen, Chirons Schmerz liegt im Makel seiner Herkunft, die die geistigen Möglichkeiten seiner Göttlichkeit in enge irdisch-physische Grenzen zwingt. Was Chiron weiß, weil er es selbst erlebt hat, muss Jupiter noch lernen und umgekehrt, was Jupiter ist, liegt in Chirons Verletzung zuerst noch verborgen.
Zehn Jahre später kommt Liz Greene in einer Diskussion mit Seminarteilnehmern zu einem Resultat, das an Zane Steins Facetten-Hypothese erinnert: Jupiter versteht sich gut mit der göttlichen Seite Chirons, mit dem Lehrer und Heiler. Freundet Jupiter sich mit diesem Anteil (der Facette HWJ) an, kann sich daraus eine sehr kreative, inspirierende Verbindung ergeben. [36] Leider reduziert sie kurz darauf Chiron gemäß zeitgemäßer astrologischer Diktion auf Schmerz und Leid, Entwicklungsqualitäten, denen Jupiter eher ausweicht; der Hinweis auf die leidvolle Erfahrung des Schützen fehlt in ihrem späteren Seminarmanuskript. [37] Die Ur-Angst des Schützen ist die Angst vor Sinnlosigkeit, die Angst, nicht in der Lage zu sein, die Realität anzunehmen, sodass eine sinnvolle Vorstellung davon entsteht, was Sinn des Lebens ist. Dieser geistige Schmerz offenbart sich in der Sehnsucht nach Ganzheit. Jupiter und Chiron sind nur zwei Seiten einer Medaille. Mit Jupiter und Chiron, fährt Liz Greene dann aber berechtigt fort, kommen Wissen und Intuition zusammen, um eine zutiefst optimistische und hoffnungsvolle Haltung zum Problem des Leids einzunehmen. Jupiter unterstützt dabei die Konzentration auf die Sinnbezüge, die in Leid und Schmerz wirksam sind. Diese Sichtweise berücksichtigt, wie erwähnt, nur einen Teil der Chiron-Biographie; der Versuch, den mythologischen Chiron in seiner ganzen Symbolik zu erfassen, habe ich in einer anderen Studie, in Das Antlitz Chirons, unternommen.
Die Frage nach dem Verbindenden zwischen Schütze und Chiron weist auf eine fundamentale Erfahrung des Menschen hin; sie bringt uns gleichzeitig eines der wichtigsten Merkmale des Jupiter-Prinzips ins Bewusstsein. Im Zeichen Schütze erreicht die seit der Sommersonnenwende kontinuierlich zunehmende Nachtkraft ihr Maximum. Dane Rudhyar verwendet die Begriffe Tagkraft und Nachtkraft im Zusammenhang mit dem schwankenden Rhythmus der Sonnenenergie im Jahreslauf. [38] Während bei zunehmender Sonnenenergie, bei länger werdenden Tagen, die Tagkraft zunimmt, gewinnt bei kürzer werdenden Tagen die Nachtkraft an Wirkung auf Mensch und Natur. Rudhyars Tagkraft ist eine personalisierende Energie, die Geistiges in konkrete Wirklichkeit überführt. Insbesondere die Individualität des Menschen wird auf diese Weise betont. Demgegenüber ist die Nachtkraft eine Individualitäten koordinierende Energie; im Schützen sind das die sich mit Sinnfragen, Wissenschaft, Philosophie oder Religion beschäftigenden Menschen. Im Mythos zog sich Chiron in seiner zweiten Lebenshälfte vom weltlichen Treiben zurück, um sich ganz dem Schützeprinzip entsprechend der Forschung und Bildung zur eigenen Sinn-und Identitätsfindung zu widmen. Schließlich trat er seine letzte Initiation an, nahm sich, seines persönlichen Wachstums wegen des Schicksals Prometheus an, stieg hinab in die Unterwelt, um den Himmel zu gewinnen.
Die Jahreszeit, die unter dem Tierkreiszeichen Schütze steht, ist die Zeit des tiefsten Dunkels, der Tage des beginnenden Winters. Michael Aschenbrenner hat diese Zeit die Todesnacht der Natur genannt, [39] wenn die Sonne die Vegetation unter die Erde begleitet, um ein Bild aus der ägyptischen Mythologie zu verwenden, auf ihrer jährlich wiederkehrenden Nachtfahrt durch die Unterwelt. Aber anders als im Zeichen Skorpion hat der Tod nun seine Macht verloren; er bezeichnet kein Ende mehr. Auch im Chiron-Mythos fehlt Pluto die Macht: er kann den sich seiner selbst bewusstwerdenden Kentauren nicht in der Unterwelt zurückzuhalten. Zu Beginn seiner zweiten Lebenshälfte zog sich Chiron, nach seiner Verletzung durch den im Blut der lernäischen Hydra vergifteten Pfeil des Herakles, zu Meditation und Studium in eine Höhle, ins Erdinnere, zurück. Am Ende dieser Lebensphase gelingt es ihm, seine leidvollen Erfahrungen durch Erkenntnis und Bewusstwerdung zu überwinden, und den animalisch-irdischen Teil seiner Persönlichkeit durch Verzicht und Mitleid zu läutern und zu integrieren. In Chiron spiegelt sich die Stärke des Schützen, sich äußeren und inneren Anfechtungen gegenüber als siegreich zu erweisen, Erdenschwere und Triebnatur im Licht des Bewusstseins zu überwinden, um neues Leben und Zukunft zu ermöglichen: Die Todesnacht kündet von der Schöpfung neuem Anfang. [40] Kurz vor Weihnachten erreicht die Zunahme der Nachtkraft ihren Scheitelpunkt. Erst am 21. Dezember, wenn die Sonne in den Steinbock wechselt, beginnt die Tagkraft wieder zu wachsen. In der Phase des Schützen erreicht die Abnahme der Bewusstseinskräfte ihren Zenith, sie wirkt eher aus unbewussten als aus bewussten Motiven, ist subjektiv und stärker transzendent. Wenn in der Schütze-Phase die Nacht sechzehn Stunden dauert, das pflanzliche Leben abgestorben und unsichtbar unter der Erde verborgen ruht, ist die Sehnsucht nach Licht und Sonnenwärme am größten. Im Sommer, wenn die Sonne ihre höchste Licht- und Wärmeentfaltung hat, wendet sich der Mensch seinem physischen Leben zu. Im Winter, wenn er auf sich selbst angewiesen ist, verbindet er sich mehr mit der geistigen Welt. In den Zwölf Stimmungen erläutert Rudolf Steiner die grundlegenden Atmosphären der Tierkreiszeichen. Den Schützen charakterisiert er in den Zeilen: Und werdend mich ins Dasein prägen! beziehungsweise Das Seiende fühle das Seiende!. [41] In einer Zeit, in der die Bindung an die sinnenhafte, materielle Welt nachgelassen hat, steigert sich die Erwartung auf eine neue Zukunft, wächst die Sehnsucht nach der Erkenntnis des Sinns des Lebens. Chiron, Jupiter und das Tierkreiszeichen Schütze repräsentieren, jedes Symbol auf die ihm eigene Weise, Aspekte dieser menschlichen Erfahrung. In dieser Zeit suchen wir nach Licht, nach Erkenntnis, nach der Hoffnung, dass es weitergeht, dass es erneut hell wird. Der neue Tag beginnt schon mitten in der Nacht, so lautet die zukunftsweisende Vision, die mit dem neunten astrologischen Zeichen und Haus verknüpft ist. Die astrologischen Symbole Chiron, Schütze und Jupiter stützen diese Überzeugung. Sie verheißen uns, allen Widerständen zum Trotz, die Helligkeit einer neuen Zeit - eines neuen Wachsens und Werdens, eines neuen Jahres. Auch die christlichen Kirchen knüpfen, in der Nachfolge der keltischen und germanischen Tradition, an das Fest der Wintersonnenwende an; sie feiern die Geburt des Christus in dieser lichtärmsten Zeit des Jahres. In jenen Wintertagen, an denen das Fest angesetzt ist, da ist der Mensch in der Tat, wie die ganze Erde, dem Geiste hingegeben. Da durchlebt der Mensch gewissermaßen ein Reich, wo der Geist ihm nahesteht. [42] Die Zeit von Weihnachten bis Neujahr, die sogenannten Rauhnächte, ermöglicht dem Astralleib eine Begegnung mit dem Lebensgeist, durch den sich der Christus Jesus dem Menschen als Wesen aus der Hierarchie der Archangeloi offenbart. Zeus-Jupiter entzündet den brennenden Pfeil des Schützen, der als Piktogramm vom fernen Ziel Chirons kündend seine Lebensaufgabe vorwegnimmt: die Befreiung von seinem animalisch-physischen Leib.
Chirons Dilemma in der Biographie Jugendlicher
In dir muß brennen, was du entzünden willst.
Augustinus
Die Kräfte und Fähigkeiten, die den Planeten seit der Antike zugeschrieben werden, erwirbt der Mensch auf seinem Weg durch die Planetensphären zwischen Tod und neuer Geburt, so lautet die todüberwindende Botschaft der Anthroposophie. [43] Auf dieser kosmischen Wanderung nimmt er spezielle Eigenschaften in sein Wesen auf. Mit seinem Schicksal ausgestattet, einem ihm eigenen Impuls, tritt der Mensch ins Leben; und dieser Impuls wirkt kreativ und erweiternd auf die Impulse anderer.
Das Menschenmögliche im Blick wirkt Jupiter als bildende, modellierende und organisierende Kraft des Menschen. In der Sphäre Jupiters empfängt er die Fähigkeit, diejenigen Gedanken auszubilden, die ihm den Sinn seines Lebens erschließen, erwirbt er sich die Übersicht, die es ihm ermöglicht, seine irdische Aufgabe zu begreifen. Der Jupiter-Mensch ist ein Denker, bemerkt Bernard Lievegoed, jemand, der stets nach der großen Überschau strebt. Details interessieren ihn nur dann, wenn sie das Überschaute abrunden. Mit einem Maximum an Effizienz und mit einem Minimum an Verlust strebt die Energie des neunten astrologischen Zeichens und Hauses nach den Bedürfnissen und Notwendigkeiten der Zeit: Jupiter kann in erster Linie als der »große Weltenplastiker« charakterisiert werden. Wenn Saturn in den erhabenen Formen des Skeletts ein »nacktes« Bild des Geistes hinstellt, so plastiziert Jupiter um dieses Skelett herum halbweiche Formen in fließender Schönheit. Diese Jupiter-Formen sind Ausdruck des Menschen als beseeltes Wesen. [44] In der Schwellenphase Pubertät – sowie der Zeit danach – entdeckt der heranreifende Mensch erstmals seine Fähigkeit zur biographischen Selbstverursachung, [45] wird vom Geschöpf zum Schöpfer und entdeckt seine Begabung zur sozialen Gestaltung, die keinesfalls nur freudige Gefühle und Gedanken auslöst. Der erste Schritt zur Persönlichkeitsbildung gerät der Jugend zur ersten Identitätskrise ihres Lebens.
Zukunft ist die besondere biographische Aufgabenstellung im dritten Jahrsiebt - zwischen dem 14. und 21. Lebensjahr - in der Phase seines Lebens, in der der Mensch beginnt, sich selbst bewusst zu erleben und zu werden. Er nähert sich den Erfahrungen Chirons und des Schützen an, ohne schon gleich Jupiter zu erreichen. Erst zwischen dem 49. und 56. Lebensjahr, im achten Jahrsiebt, der Jupiter-Phase seines Lebens, wenn der erwachsene Mensch die Krise der Lebensmitte überwunden hat, gehen die Flammen der Jugend in die Glut des Alters über, wird ihm sein Idealismus erneut, doch diesmal viel bewusster, deutlich: Wir wissen wenig davon, was den menschlichen Willen anfeuert. Noch wissen wir den Idealismus der Jugend von dem Enthusiasmus zu unterscheiden, den wir später für uns entzünden. Selten erkennen wir, dass das, was in den jungen Menschen, den Lehrlingen des Lebens, brennt, flüchtig ist, ein Strohfeuer das der Zeit nicht standhält, während im Meister das Feuer aus dem Herzensholz der Erfahrung lodert. [46] Im Alter ist die Gebärde Jupiters eher eine schenkende, die aus dem Feuer der nun willentlich ergriffenen Ideale der Jugendjahre gespeist wird.
Die Grundfragen des Daseins, die Rudi Dutschke formulierte, spielen in der Pubertät, und dann erneut in den Jahren nach der Krise der Lebensmitte, die entscheidende Rolle: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch? [47]- Fragen, die sich in der Jugend hinter der Auseinandersetzung mit der Lebenswirklichkeit und den Versuchen, die Welt zu gestalten, verbergen. Alexander Ruperti spricht in diesem Zusammenhang von der psychischen Ebene einer Biographie.[48] Nichts darf bleiben, wie es ist: Die kontinuierliche und unausweichliche Konfrontation des Menschen mit den Sinnfragen des Lebens weisen ihn auf seine Vergangenheit, Gegenwart und vor allem auf seine Zukunft hin, die mythische Götter-Könige wie Jupiter dem Menschen seit jeher ermöglichten. Ilya Prigogine, Nobelpreisträger für Chemie (1977), hat in seiner Theorie der dissipativen Strukturen erneut darauf hingewiesen, dass alle Prozesse des Lebendigen ständiger Veränderung und proliferierendem Wachstum – unaufhaltsamem Werden - unterliegen, sich werdend ins Dasein prägen. [49] Unter dissipativen Strukturen versteht die moderne Physik Zustände, die mit ihrer Umgebung ständig Energie austauschen und dadurch einen endlosen, nicht umkehrbaren dynamischen Fluss aufrechterhalten. Für die Unwahrscheinlichkeit, dass Ereignisse rückwärts ablaufen, verwendet Ilya Prigogine den Begriff des Zeitpfeils, den er als den Weg versteht, der vom Sein zum Werden führt: Ein Organismus wird geboren, reift heran und stirbt - er besitzt Geschichte. [50]
Rudi Dutschkes Grundfragen binden den Menschen in den zeitlichen Rahmen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft (früher, jetzt oder später) ein, der sein Leben unter den temporären Gesichtspunkt stellt, den Ilya Prigogine als unumkehrbar beschreibt. Diese drei Erlebnisweisen der Zeit, der Fluss des Lebens, den die meisten Menschen nur im Nacheinander erleben und gestalten können, stehen in einem besonderen Verhältnis zueinander. [51] Die Vergangenheit, die Zeit des Vorher, des Früher oder des schon Gewesenen, ist von der Gegenwart, dem Jetzt und Gerade, durch den Abschied getrennt, der es unmöglich macht, die Vergangenheit erneut zu erleben. Von der Gegenwart aus kann das Vergangene nicht mehr erreicht werden: Es ist vorbei. Häufig spricht man vom Déjà vu als dem Wiedererleben vergangener Ereignisse. Der Eindruck, die Kluft, die Vergangenheit und Gegenwart voneinander trennen, überwinden zu können, entspringt dem Wunsch des Menschen, das Rad der Geschichte zurückzudrehen, seiner Sehnsucht nach dem illud tempus, der Zeit des Ursprungs, [52] seinem Wunsch, in das Goldene Zeitalter des Kronos-Saturn leiblich zurückzukehren. Der Sturz der Titanen durch den Entwicklung und Erweiterung protegierenden Olympier Zeus (röm. Jupiter), dessen Kampf um die Weltherrschaft, ob als Zeus mit den Titanen oder als Óðinn mit den Vanir, hat den alles lebendige Wachstum blockierenden, enge Grenzen auferlegenden Kronos auf die Inseln der Seligen, in die Dauer ewiger Gegenwart, geführt. Mit Zeus oder Óðinn kamen Erkenntnis, werdende Fülle und Fortschritt in die Welt, und damit Entwicklung und Veränderung.
Wir erleben die Vergangenheit radikal von der Gegenwart getrennt, stehen der Zukunft weit geöffnet gegenüber. Gegenwärtiges fühlt sich aufgerufen, sich der Zukunft zuzuwenden. Ohne Zukunft – auch als Zündstoff des jugendlichen Idealismus - hat Gegenwart weder Profil noch Möglichkeit. Zwar können wir aus der Gegenwart heraus auch die Zukunft nicht erreichen, sehr wohl aber kann die Zukunft uns erreichen, wir sind ihr sogar rettungslos ausgeliefert, indem sie über uns kommt, uns zur plastizierenden Gestaltung aufruft. Ohne Zukunft gibt es keine von der Vergangenheit abgehobene Gegenwart, denn diese würde mit jener verschmelzen oder in sie zurücksinken: Die Aufhebung des Abschieds wäre gleichbedeutend mit der Auferstehung der Toten. Der Archetyp der unerschöpflichen Weite, des Optimums oder der potentiellen Möglichkeiten der Zukunft, tritt symbolisch als Jupiter (Zeus, Óðinn) auf. Die Fähigkeit der Prophetie, die gerade diesen Gottheiten zugetraut wird, ist die Erkenntnis des Kommenden, des Noch-Nicht-Gewordenen oder Immer-Erst-Werdenden. Für den Propheten – wie den Philosophen - ist die Zukunft nicht von der Gegenwart als das Spätere unterschieden. Er muss nicht aus der Gegenwart in eine spätere Zeit heraustreten, um dort des Künftigen ansichtig zu werden. Ihm ist dies schon in der Gegenwart erreichbar - freilich nicht als ein Gegenstand der Erkenntnis, der ruhig beschaut werden könnte, sondern als die ihn bedrängende Zukunft, die ihn zur Gestaltung aufruft. Was der Prophet erkennt, ist prinzipiell jedem zugänglich, was den Propheten unterscheidet: Er erkennt das Zukünftige im Prozess des Da-Werdens nur früher oder deutlicher als seine Mitmenschen. Für Jahrhunderte galt Jupiter als Schutzpatron von Philosophen, Theologen, Kreuzrittern und Spekulanten jeglicher Art. Zu dieser Vorstellung passt die Position Jupiters als größter Planet im Sonnensystem - sein Umlauf um die Sonne dauert ungefähr zwölf Jahre. Wie Stephen Arroyo meint, kann man sich nur schwer des Eindrucks erwehren, dass Größe und umfassende Vision untrennbar mit der fortwährenden Suche des Menschen nach der größten Wahrheit und nach der Erfahrung des Einssein mit dem Universum verbunden ist. [53] Erkenntnis, Sinnfindung, die Verwirklichung des dem Menschen Bestmöglichen, das Erfassen des jeweils Neuen, das über das Gegenwärtige hinausreichende Optimale, verbindet die Astrologie mit der Haus- und Zeichenstellung Jupiters im Horoskop.
Die Frage Wer bin ich? kristallisiert im Jugendalter zu dem drängenden Bedürfnis nach einer selbstverantwortlichen Gestaltung der eigenen Zukunft. Jede biographische Krise beginnt mit dem Gegenteil dessen, worauf sie hinaus will, [54] und so beginnt die Krise Pubertät, astrologisch betrachtet, mit der Saturn-Opposition und dem Uranus-Sextil zur jeweiligen Radixposition. Das auffälligste Merkmal der liminalen Schwellenphase Pubertät besteht gerade darin, genau das Gegenteil von dem zu sein, was sie bewirken soll: Der Weg zu einer neuen Identität führt über die Statuslosigkeit in die neu zu ergreifenden Rollen und Positionen des Erwachsenen. Das in der biographischen Krise der Pubertät – als Übergangssituation verstanden – sichtbar werdende Gegenteil äußert sich als eine Überspitzung des gegenwärtigen Zustands: Zum ersten Mal stellen sich erhöhte Erwartungen an die Zukunft ein. Wie in jeder biographischen Krise geht es auch in der Pubertät zuerst um die Überwindung einer elementaren Ohnmacht vor sich selbst. Beklemmung, Zweifel und Hoffnungslosigkeit zeigen Krisen an, Perioden der Ratlosigkeit, die immer dann auftreten, wenn der Mensch unsicher genug ist, um innerlich wachsen zu können. Wir müssen unser Gefühl des Unbehagens immer als die Chance betrachten, »das Wachstum zu wählen und nicht die Angst«. [55] Bevor der Jugendliche weiß, wie es weitergehen kann, muss er lernen, den Widerspruch zwischen Ideal und Wirklichkeit auszuhalten, sich in seiner Unvollkommenheit bejahen. Gelingen ihm Ideale und zukunftsöffnende Konzepte, und stellt er nicht nur die hilflose Frage nach dem Warum seines Erlebens, öffnet sich ihm ein Ausweg aus der chaotischen Situation der Liminalität. Die Entwicklung der Gefühle und geistigen Fähigkeiten, die emotionale Orientierung zu Freunden, zur Kultur und den Institutionen der Gesellschaft, gehören zu den Entwicklungsaufgaben dieser Jahre. Erstmals in der Pubertät weitet sich der Horizont des jungen Menschen. Ihn befremdende Gefühle und Gedanken, auf den ersten Blick wenig Vertrautes, dringen mit Wucht in seine geschützte Welt ein, und besetzen sein vitales Interesse. Erstmals muß der Jugendliche mit Hilfe von Kontrasten (dem Oppositionsaspekt) lernen, wer und was er ist. [56] Erst wenn ihm ein geistiges Bild von dem, was er will und werden kann, vor Augen steht, entfaltet sich sein volles Potential.
In der Biographie zeigen sich Jupiter und Schütze – und in seiner Begleitung Chiron – zum ersten Mal in den Stürmen der Pubertät, in einer Zeit, in der sich der Jugendliche in seiner Entwicklung mit der Dunkelheit seines Trieblebens, seiner Sexualität und geschlechtlichen Identität, konfrontiert sieht. In dieser Zeit, in der sich der Astralleib aus der schützenden Hülle des Ätherleibes zu lösen beginnt, erfassen Spannungen und Erschütterungen das Wesensgliedergefüge des jungen Menschen, die er nur unbeschadet übersteht, wenn sein Ich als ordnende Kraft eingreift. In der Pubertät verbindet sich biographisches Werden mit dem Gefühl eines der Geburt ähnlichen, dieses Mal aber allmählichen Ausgestoßenwerdens aus dem Schoß von Familie, Schule und vertrauter Umgebung. Am Beginn des Erwachsenenalters erscheint in der Schwelle des ersten Mondknotens die Wiederkehr des Geburtsimpulses, den es nun neu zu ergreifen gilt. Der Jugendliche durchlebt in dieser Lebensphase ganz bewusst die Erfahrung der sozialen Geburt, die Chiron gleich zu Beginn seines Lebens zugemutet wurde: einerseits die seelische Verletzung der Ablehnung und Zurückweisung durch seine vor seiner Mischgestalt zurückschreckenden Mutter Philyra, andererseits die mitleidvolle Geste Apollons, der sich des verwaisten Kentaurs annahm. Unmittelbar nach der Geburt, dem grellen Tageslicht ungeschützt ausgesetzt, vor aller Welt in seiner Missgestalt peinlichst entblößt, vermutet Chiron in allem Anspielungen auf seine verborgensten Schwächen, bleibt ihm nur der Rückzug auf sich selbst – Chiron mangelt es am Glanz in den Augen seiner Mutter, wie Heinz Kohut es in Bezug auf eine Vernachlässigung in frühester Kindheit formuliert hat. In der Erfahrung der eigenen Mangelhaftigkeit sowie in der ihn bedrängenden Brüchigkeit geltender Werte und Überzeugungen, die in der Pubertät mit Wucht ins Bewusstsein tritt, liegt die Urgestalt chironischer Verletzung, die tief enttäuschend ist und dennoch Hoffnung in sich birgt.
Im Grimmschen Märchen tritt Chiron als Hans mein Igel auf. [57] Dort erscheint die chironische Verletzung ins Pathologische gesteigert, wenn der Protagonist – nicht allein halb Mensch, halb Igel – sondern als weitere Steigerung der animalischen Seite seiner Persönlichkeit, fernab einer reifen Sublimierung, auf einem Hahn die Flucht vor seinem innerpsychischen Drama ergreift. Heinz-Peter Röhr stellt an Hand dieses Märchen die als Borderline-Erkrankung bezeichnete frühe Störung in der menschlichen Persönlichkeitsentwicklung dar. [58] Mangelerfahrungen in den ersten Lebensmonaten verursachen eine Pathologie mit präödipal verankerten Frühstörungen und einer innerpsychischen Struktur, die durch Impulsivität und Instabilität im Bereich der Stimmungen (der Affekte), der zwischenmenschlichen Beziehungen und des Selbstbildes auch dem Jugendlichen in der Pubertät nicht fremd sind. Besonders charakterisiert ist die Borderline-Störung durch ein Muster von instabilen, aber intensiven zwischenmenschlichen Beziehungen, die sich durch den Wechsel zwischen zwei Extremen auszeichnen: Überidealisierung und Abwertung. In ihrer vollen Ausprägung manifestiert sich die Borderline-Problematik erst nach der Ich-Geburt beziehungsweise im frühen Erwachsenenalter, wenn das Ich zuletzt seine zentrale Position in der Persönlichkeit einnehmen will, und dabei auf eine ungeeignete psychische Dynamik trifft, sodass Lebensbewältigungsschwierigkeiten in den genannten Bereichen auftreten. Hinweisend auf diese beiden biographischen Situationen formuliert der Chiron-Mythos den Grenzgang zwischen Himmel und Erde, [59] den der Borderline-Patient als Chaos der Stimmungen und Gefühle, das sich in seinem Inneren auftut, erleidet, und den der pubertierende Jugendliche in seinem Streben nach psychischer Ausgeglichenheit bewältigen muss.
In der biographischen Erfahrung Chirons, die jedem Jugendlichen bevorsteht, ist die Differenz zwischen Krankheit und Gesundheit auf ein Minimum reduziert. In den Zeiten des Übergangs wird zuerst die Gewissheit des Dasein fraglich, keimen erstmals Zweifel an der Berechtigung und dem Wesen der heimischen Sphäre Kindheit. Was Chiron oder Hans mein Igel bei ihrer Geburt eigentlich als Selbstverständlichkeit voraussetzen konnten, das Aufgehobensein in einer versorgenden und beschützenden Umgebung, entrückte ihrer Verfügbarkeit und entwertete deshalb ihre Existenz. Auf dem Weg zum Erwachsenen verliert der Jugendliche seinen Halt im Vergangenen, erfährt er – wie Chiron im Mythos und Hans mein Igel im Märchen - den schmerzlichen Verlust seiner Heimat, deren Erinnerung er aber nicht auslöschen kann. Die Hässlichkeit und Unvollkommenheit Chirons erfährt der Jugendliche gerade in diesem Gefühl der Heimatlosigkeit, die er nur erträgt, indem er seine ihm urvertraute Welt als mangelhaft und unzureichend abwertet und zurückweist, aus ihr aussteigt, und sich einer noch unsicheren Zukunft zuwendet. Wie Chiron verabschiedet er sich von einer ihn zunehmend enttäuschenden Welt, klagt gekränkt oder resignierend deren Missstände an. Gleichzeitig wächst er - wie Chiron – an diesen von ihm beklagten Mängeln, eine Bewältigungsstrategie, die Borderline-Patienten nicht entwickeln können. Indem er nur allmählich die Anpassung des Vorgefundenen an seine Gestaltungsbedürfnisse und –möglichkeiten entdeckt – Jupiters Impuls Formen fließender Schönheit zu plastizieren - stellt er sich der Herausforderung durch die Gegebenheiten seiner Umgebung, entwickelt sein kreatives Potential, um seinen eigenen Beitrag zur menschlichen Entwicklung zu leisten. Das Erstaunen und Erschauern des jungen Menschen vor den ihn gewaltig bedrängenden Werdekräften, wird von der Angst vor dem Abgrund des Unbekannten begleitet, dem was auf ihn zukommt, nicht gewachsen zu sein. Um den ihn zerstörenden Sinnverlust zu entkommen, musste Chirons Einsamkeit nach seiner Geburt in Wünsche und Sehnsüchte umschlagen, die Apollon mit Mitleid erfüllten. Dennoch gibt es für ihn und für den Jugendlichen keinen Weg der Schmerzvermeidung, der nicht noch größere Schmerzen nach sich zöge. Wir wissen als Erwachsene, dass diese Wunde niemals heilt. Bei manchen bricht sie jedes Jahr zu Weihnachten auf, bei anderen, wenn sie das Haus ihrer Kindheit betreten. Und sie schwärt bezeichnenderweise auch in den Herzen derer zeitlebens weiter, die von ihren Eltern vernachlässigt oder gar mißhandelt wurden. [60]
Hoffnungen, Wünsche und Sehnsüchte haben jedoch eines gemeinsam: Sie sind auf Zukünftiges gerichtet, und gerade in der Pubertät drängt Zukunft in unser Seelenleben hinein. [61] In der zunächst zeitlich unstrukturierten Pubertät tritt die Strukturierung der Zeit allmählich deutlicher in das Bewusstsein der Jugend, offenbart sich ihr erstmals der Riss des Abschieds - von der Welt der Kindheit. Dieser Riss löst sie von ihrer Vergangenheit, und öffnet sie zunehmend für die Verlockungen der Zukunft. Wie in der Nacht nur wenig sichtbar ist, so wachsen an der Schnittstelle der Auseinandersetzung des Unbewussten mit der Wirklichkeit die Ideale des Jugendalters, die nicht entstehen, wenn alles heil ist. In dieser Lebensphase fühlt sich der Jugendliche Chiron verwandt, geht über die physische Welt, den Materialismus, hinaus, und entzündet in seiner Sprache, in seinem Denken und Wollen das Feuer des Idealismus. Wenn der Mensch in seiner Sprache keinen Idealismus entwickelt, nur wenig von Idealen spricht, dann verfließt das irdische Leben so, dass der Mensch jede Nacht eigentlich, wenn ich mich so ausdrücken darf, den Anschluß versäumt an das Erzengelwesen. [62] In der Pubertät tritt der junge Mensch zum ersten Mal aus dem von Familie und Schule vorgezeichneten, aus dem von ihm Erwarteten heraus, unterbricht bewusst und absichtsvoll die Selbstverständlichkeit seines Lebenslaufs, eine Situation, die Mathias Wais als das Auftreten des Engels während eines biographischen Bruches charakterisiert. [63] Ist sein Wollen und Wünschen in dieser Zeit allerdings blockiert, dann verharrt er in der Sinn- und Hoffnungslosigkeit materialistischen Ersatzes, wie sich in unserer konsumorientierten Zeit immer deutlicher zeigt.
Während der Pubertät bewegt sich der junge Mensch zwischen den Extremen, die auch Chiron, der Kentuar, halb Pferd, halb Mann, sinnvoll integrieren musste. War dieser auf seinem geistigen Höhenflug am weitesten gekommen, trat ihm seine animalisch-physische Gebundenheit an die Materie am schmerzhaftesten ins Bewusstsein. Erlebnisse und Erfahrungen auf dem physischen Plan sind Gefühle der Einmaligkeit und der unausweichlichen Sterblichkeit konfiguriert. Der Sinn des Menschseins liegt allein in seiner vollkommenen Unvollkommenheit, in der Spannung, zwischen dem, was wir sein wollen, und dem was wir sind, zwischen Real-Ich und Ideal-Ich, Gelingen und Frustration. Manfred van Doorn weist anläßlich einer Performance, bei der der Künstler lediglich eine Flasche Cola ins Meer schüttet, darauf hin, wie groß die Angst des Menschen vor der Sinnlosigkeit ist: Die scharfe Reaktion auf die sinnlose Handlung skizziert einen tragikomischen Aspekt der Situation des Menschen. Ob wir wollen oder nicht, wir sind verurteilt und auserwählt zugleich, dem Dasein einen Sinn zu geben. [64] Oder wie es bei Jean Paul Sartre heißt: Wir können nicht nicht wählen.
Die Passion der Pubertät entzündet sich an der Erfüllung des Ideals und an dem vergeblichen Streben nach dessen Erreichbarkeit; mit allen Höhen, Tiefen und Widersprüchen. Wer nicht bereit ist, das Opfer zu bringen, der mutet sich zuletzt das sinnlose Opfer zu, das im nicht gelebten Leben besteht. [65] In dieser biographischen Phase lebt der Jugendliche in den inneren Tiefen seiner Gefühle und seines Empfindens, seiner Triebe, Begierden und Leidenschaften. Gleichzeitig schwebt er in idealistischer Begeistungsfähigkeit hoch über allen Himmeln. Der materielle Wunsch, die persönliche Situation zu verbessern, steht in direkter Verbindung mit erhebenden und erlösenden Träumen, Idealen, Hoffnungen und moralischen Vorstellungen. Ein Beleg dafür ist beispielsweise das Symbol des Schützen, der Zentaur. [66] Im Jugendalter erfasst der Mensch erstmalig den Impuls nach der schöpferischen Verwirklichung des Menschenmöglichen als seine Aufgabe – dieser schöpferische Prozess, der im Menschsein gründet, hat kein anderes Ziel als wiederum das Menschsein selbst, die Mensch-Imagination. Der Mensch ist nicht nur auf das Ganze hin orientiert, jupiterhaft bringt er es in sich selbst zum Glänzen, indem er es nicht einseitig reflektiert, sondern es schöpferisch ergreift und gestaltet. Sein Leben, seine Welt, ist ihm nicht nur ein Gegebenes, sondern ein ihm aufgegebenes, das er handelnd reflektiert. [67] Unmittelbar vor der Geschlechtsreife vollzieht der Jugendliche den bewussten Eintritt in sein Werden, seine bewusst gelebte Biographie. Die Stunde der Besinnung, des Erglänzens im Ganzen, verbindet sich mit der Frage nach dem ins Leben getragenen Impuls, nach den aufgegebenen Werken, die Dutschkes Grundfragen implizieren.
Im dritten Quadranten des Horoskops richtet sich der Pfeil des Schützen auf die Du-Bezogenheit dieser Mensch-Imagination. Der Wunsch, den Anderen zu entdecken, sich ihm zu schenken, ist das bestimmende Motiv der Jugend, die erkennend zum Menschen vordringen will. In zahlreichen Mythen - wie Parzivals Gralssuche oder den zwölf Aufgaben des Herakles – wird die Bildung und Erhaltung des Ichbewusstseins als Heldenmythos dargestellt, als eine Leistung, die dem Kampf mit einem übermächtigen Ungeheuer vergleichbar ist, der fast übermenschliche Kräfte erfordert. In der christlichen Legende tritt der Erzengel Michael auf, ein anderes Alter ego Jupiters. Wie der Schütze, so ist auch Michael ein Vorbote der dunklen Jahreszeit, in der der Mensch sich nicht mehr von außen getragen fühlt, und leichter in Besinnlichkeit und Melancholie fällt. Michael ruft den Menschen zur Klarheit im Denken auf, ist wie Jupiter ein Denker, ein archetypisches Bild für die Wachsamkeit des Bewusstseins, das den Drachen besiegt und dem Bösen trotzt, und so den Weg zu einer immer individuelleren Bewusstseinsentwicklung bereitet. Der Erzengel Michael unterstützt den Menschen dabei, das Licht in seinem Herzen zu entzünden, ganz im Sinne Antoine de Saint-Exupérys: »Adieu«, sagte der Fuchs. »Hier ist mein Geheimnis. Es ist ganz einfach: man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.« [68] Diese lichtbringende Kraft des Herzens ist aber kein Geschenk im Sinne einer den Menschen zustehenden Gabe, sie muss im wahrsten Sinne individuell errungen werden, bevor sie weitergegeben werden kann. Das Wissen, die Technik und der Materialismus des 20. Jahrhunderts ermöglichen dem modernen Menschen eine ungeahnte Freiheit, sie legen ihm aber auch eine Verantwortung auf, die noch nie so groß war. Um diese Verantwortung in der Gestaltung der Zukunft zu ergreifen, bedarf es michaelischer Impulse und Ideale - Achtsamkeit, Bewusstheit, Engagement - sowie der zukunftsöffnenden Visionen Jupiters.
In seinem Versroman Parzival schildert Wolfram von Eschenbach die Stürme der Pubertät im Ringen mit denjenigen Wesenskräften, [69] die die Astrologie mit den Symbolen Chiron und Schütze - beziehungsweise Jupiter in den Fischen - verbindet. Nachdem Parzival seine transformierenden Erfahrungen, die chironische Phase seiner Biographie, bewältigt hat, öffnen sich ihm die bewusstseinserweiternden Möglichkeiten, die Jupiter im neunten Haus anbietet. Erst die Integration Chirons, dem er in der Gestalt des Fischerkönigs Amfortas begegnet, offenbaren ihm den Gral und ermöglichen seine eigene Zukunft als Gralshüter. Erkenntnis in sein Werdeziel berufen Parzival zu Mitgefühl und Erlösung, der schenkenden Hingabe, die Jupiter im Lebensalter anregen will. Erst nach einer Reihe transformierender Erfahrungen erwirbt Parzival die Reife, um im Hause des Fischerkönigs die Erlösungsfrage zu stellen, von der nicht nur seine eigene Entwicklung abhängt, sondern die Rettung des wüsten Landes und seiner Menschen: Jupiter steigt in die Fische auf. Parzivals Leiderfahrungen können nur sinnvoll aufgelöst werden, wenn es ihm gelingt, diese Erlösungsfrage zu stellen. Bei seinem ersten Besuch in der Gralsburg war ihm dies noch nicht bewusst, und er verfängt sich in leeren Konventionen. Er benötigt eine zweite Herausforderung, die ihn in der Einsiedelei seines Onkels Trevrizent mit sich selbst konfrontiert, als er sein Versagen als Sünde der Mitleidlosigkeit erkennt. Warum Parzival nicht fragen kann, erklärt Wolfram, ganz im Sinne Buddhas, durch die leidschaffende tumpheit, in der Parzival gerade wegen seiner ritterlichen Erziehung verharrt, der Sünde, arrogant, egoistisch und ohne Bewusstsein und Sinn zu leben (Jupiter unerlöst in Schütze), gefühllos für das Leid anderer zu sein (Jupiter unerlöst in Fische) und es dadurch weiter zu mehren. Außergewöhnlich an dieser Episode dieses mittelalterlichen Entwicklungsromans ist, dass die geforderte Bewährung des Helden nicht wie sonst in den mittelalterlichen Artus-Romanen üblich in einer Tat besteht, sondern in einer Frage. Die Fähigkeit zum therapeutisch motivierten Wort setzt Parzivals Haltung mitfühlender Teilhabe voraus, zur chironischen Empathie, zu der Parzival in dieser Phase seines Lebens unfähig ist. Amfortas, der an einer unheilbaren Verletzung an der Hüfte leidet, ist ein Leidensgefährte des von Herakles am Bein verletzten Chiron. Beide sind in ihrer Bewegung eingeschränkt, können ihren Willen nicht in Taten umsetzen. Chiron und Amfortas leiden unaufhörlich an ihrer Wunde: Sie können weder sterben noch durch eigene Künste oder Frömmigkeit geheilt werden. Sie werden zu Weisheitslehrern und Entwicklungshelfern, denn mit ihrem Leiden wächst ihr Wissen. Es bedarf eines Stellvertreters – Prometheus oder Parzival - der sie erlöst und von dem Schmerz, in dem ihre Aufgabe liegt, befreit. [70] Die Aufgabe, die Parzival zu erfüllen angetreten ist, besteht in der eigenen Bewusstwerdung, die schließlich zur Erlösung Amfortas und des wüsten Landes führt. [71] Wie Óðinn das Runenweistum durch in Leid und Opfer errungener Erkenntnis erwarb, erlangte Parzival die Macht- und Gnadenfülle der Gralskönige erst durch die Erlösungsfrage, wenn er die chironische Herausforderung, repräsentiert durch den an unheilbarer Wunde leidenden Amfortas, bewältigt. [72] Trotz hoher Ideale kann Parzival in jungen Jahren weder seine Arroganz noch seinen Egoismus überwinden, sich noch nicht im Sinne christlicher Ideale wandeln. Insofern ist er unwürdig die Macht und Nachfolge der Gralskönige anzutreten, denn ihm ist weder der Sinn seines Lebens bewusst, noch Erkenntnis zu teil geworden (Jupiter erlöst in Schütze). Ihm bleibt auch die zeitgemäße Bedeutung von religiöser Erkenntnis, Menschlichkeit und Gerechtigkeit verborgen (Jupiter erlöst in Fische). In seiner ersten Lebenshälfte verharrt er ganz in den Traditionen familiärer Herkunft und ritterlicher Sozialisation. So übersieht er die Qualität der am Horizont aufleuchtenden Zukunft. Als Archetyp des tumben Tors blickt Parzival nicht ins Offene, vollzieht nicht den Abschied von der Vergangenheit und gestaltet sein Leben entlang toter, überkommener Traditionen. Sein Blick ist rückwärts gerichtet. Glück und Erfüllung entziehen sich ihm solange, bis er durch Kundrie zur Erlösungsfrage berufen wird, die dann allerdings ihren magischen Nimbus verliert und zur zeremoniellen Handlung wird. Parzival erfährt die Chiron-Jupiter-Wandlung vom Magier-Schamanen zum Priester-König. Erst im Moment seiner Bewusstwerdung lässt er den Schützen hinter sich zurück und erwirbt die Fähigkeiten der Fische. Er wird zum Heilsbringer und Erlöser indem er die Gralsgesellschaft in Munsalvaesche aus ihrem Zustand der Herrschaftslosigkeit und das Land aus der Unfruchtbarkeit befreit, indem er die Schuld des Amfortas, symbolisiert in dessen Hüftwunde, tilgt. Insofern ist Wolframs Parzival ein Erziehungs- und Entwicklungsroman.
In seiner Ballade The Times They Are A-Changin` formuliert Bob Dylan die Parzivalerfahrung, antiquierter Traditionen wegen auf die Zukunft zu verzichten. Dylan fordert seine Zuhörer auf, die alten Wege zu verlassen, die er als völlig gescheitert (rapidly aging) brandmarkt. Gleichzeitig appelliert er an die ältere Generation, den neuen, zukunftöffnenden Weg nicht auf saturnische Weise zu blockieren. [73] In der Pubertät ist dem Jugendlichen – wie einst Parzival - die chironische Aufgabe gestellt: nach geistigen Idealen strebend die materiell-irdische Welt nicht zu verlieren. Der Schütze tritt in den Stürmen der Pubertät auf, wenn der Körper »fertig« ist, nachdem vierzehn Jahre lang daran gearbeitet wurde. Alle Geisteskraft, alle Vitalität, die bis jetzt für den Aufbau des Körpers benötigt wurde, werden nach der Pubertätszeit frei für die Seele. Eine brodelnde Energiemasse, in die der junge Mensch jetzt Ordnung bringen lernen muß. Und dazu braucht er die zielgerichtete Schießfähigkeit des Schützen, [74] aber auch die Leidensfähigkeit Chirons sowie den auf Lebenssinn und Erkenntnis gerichteten Optimismus Jupiters.
Die biographische Situation des Jugendlichen entspricht zuerst der Chirons, nach ihrer Bewältigung – meistens erst im Erwachsenenalter - der Jupiters. Chiron symbolisiert den Spannungsbogen zwischen animalisch-triebhafter Bindung an Irdisch-Materielles und der Sehnsucht nach geistigen Höhen, ein Motiv, das ihn mit Prometheus verbindet, den Chiron am Ende seines irdischen Lebens erlöst wie Parzival den Amfortas. Chiron erlöst aber nicht nur Prometheus, sondern dieser auch ihn, indem er das von Chiron angebotene Geschenk annimmt. Die Sehnsucht und das Streben nach Idealen, die Erweiterung und Überwindung der alltäglichen Grenzen zur persönlichen Entwicklung und Emanzipation, beginnt in der Pubertät und hält - in verschiedenen biographischen Phasen auf unterschiedliche Weise - lebenslang an. Betrachtet man die Mythologie Chirons und erwägt die hier vorgestellten Argumente, erstaunt die unentschiedene Diskussion um den Platz Chirons im Tierkreis. Mythologisch betrachtet kann Chiron nur Mitherrscher im Schützen sein. Dort erfüllt er, neben Jupiter, dessen Alter ego (Halbbruder) er ist, seine Aufgabe: Symbol der unter schmerzlichen biographischen Herausforderungen geboren menschlichen Potentiale. Jupiters Aufgabe beginnt mit der Sinnstiftung und Sinnstabilisierung, die im Anschluss an die chironische Initiation in eine neue Lebensphase mit transformierenden Erfahrungen führt. [75] Aristoteles spricht von menschlicher Größe, von Reife und höchstmöglichem individuellem Entwicklungsniveau als Erfüllung des Potentials. In die astrologische Symbolik übertragen, stehen die Namen Chiron, Schütze und Jupiter für diese ständig neu zu ergreifende Aufgabe.
Anmerkungen
[1] Richard Tarnas, Uranus und Prometheus, Zollikon, 1996,:19; Herbert W. Jardner, Das Urbild des Rebellen. Uranus oder Prometheus im elften Zeichen und Haus?; zum Ouranos-Mythologem siehe Hesiod, Theogonie, Verse 126-128, St. Augustin, 1990:55.
[2] Griech. Cheiron; lat. Chiron. Für weitere Details zur Etymologie, Aussprache und Begründung der Schreibweise vgl. die Argumentation von Robert von Heeren und Dieter Koch, Pholus. Wandler zwischen Saturn und Neptun, Mössingen, 1995:108-110. Die Frage, welchem astrologischen Zeichen Chiron zugeordnet werden muss, ist noch weitgehend unentschieden. Zum Theorem des verletzten Heilers äußern sich Melanie Reinhart, Chiron – Heiler und Botschafter des Kosmos, Wettswil, 1993:83; von Heeren und Koch, Pholus, S.85-132. Liz Greene, Abwehr und Abgrenzung als positive Dimension des Lebens und die Entsprechungen im Horoskop, Mössingen, 1998:267ff.
[3] Diskutiert z.B. in Zane B. Stein, Chiron, Mössingen, 1993:20ff; Reinhart, Chiron, S.83; Greene, Abwehr und Abgrenzung, S.267ff.
[4] Siehe Herbert W. Jardner, Das Antlitz Chirons. Mythologische Reflexionen für Astrologen, unveröffentlichtes Manuskript, Minden, 1999.
[5] Vorbildlich in dieser Hinsicht sind beispielsweise: von Heeren und Koch (Pholus, S.115ff) sowie Brigitte Romankiewicz, Sternbild Jungfrau. Umkreisung eines Mythos, Düsseldorf, 1994:11-12.
[6] Geburtszeit: 8. Dezember 1864, 9 Uhr, Tardenois, Frankreich. Die in diesem Zusammenhang wichtigen Radixpositionen sind: Sonne in Schütze 12; Jupiter in Schütze 11; Sonne Konjunktion Jupiter; Mars in Zwillinge 5 Opposition Sonne-Jupiter-Konjunktion; Mond in Widder 3 Trigon Jupiter; Chiron in Fische 4 Quadrat Jupiter und Mars.
[7] Für Camille Claudels Biographie siehe Mathias Wais, Individualität und Biographie. Innere Entwicklungsdynamik und Eigengesetzlichkeit in den Biographien von Camille Claudel, Belá Bartók, Alexej Jawlensky und August Macke, Stuttgart, 1994:11-53 oder Barbara Krause, Camile Claudel – Ein Leben in Stein, Freiburg i.Br., 1990.
[8] Johfra, Astrologie. Tierkreiszeichen, Turnhout, 1981, o.S.
[9] J.A. Schmoll gen. Eisenwerth, Rodin und Camille Claudel, München, 1994:78-82.
[10] Marie Luise Kaschnitz, Griechische Mythen, Hamburg, 1972:25.
[11]Für weitere Details siehe Hermann Meyer, Das astrologische Herrschersystem. Wechselwirkungen im Horoskop, München, 1996.
[12] Zitiert nach Stein, S.20. Vgl. auch Reinhart, Chiron, S.84.
[13] An anderer Stelle habe ich auf die Facette des Schützen / Jupiters, die Chiron darstellt, als Repräsentation des Schattens charakterisiert, als Aufforderung, den persönlichen Schatten bewußt werden zu lassen, um ihn zu integrieren (Herbert W. Jardner, Eingeständnis innerer Not. Chiron - Schattenherrscher im Horoskop, MerCur 5, 2001:18-21).
[14] Zane B. Steins Argumentation ist deutlich von einem Bild aus der Chiron-Mythologie inspiriert: Götter schicken ihre mit Sterblichen gezeugten Kinder als Schüler zu Chiron in seine Höhle (vgl. Stein, Chiron, S.13).
[15] Liz Greene und Stephen Arroyo, Jupiter und Saturn. Neue Aspekte astrologischer Praxis, München, 1988:131 (erstmals publiziert 1984).
[16] Greene, Abwehr und Abgrenzung, S.267-268.
[17] Kaschnitz, Mythen, Hamburg, S.21.
[18] Vgl. Reinhart, Chiron, S.15. Wenn wir die üblichen Herrschaftsbeziehungen verwenden, dann ist Chiron meiner Ansicht nach neben Jupiter Mitherrscher des Schützen...(ebenda, S.82). Chiron ist ein scheinbar unbedeutender Himmelskörper in der Konstellation des Schützen (Judy Hall, Die karmische Reise. Geburtshoroskop, Karma und Reinkarnation, Wettswil, 1993:138). Auch Wilfried Schütz ordnet den Planetoiden Chiron dem Schützen zu, und zwar mit einer Argumentation, die ich in einem anderen Zusammenhang ausführlich untersucht habe (Jardner, Chiron - Schattenherrscher), Chiron repräsentiere den Schatten (Wilfried Schütz, Jupiters Pferdefuß. Chiron: Warum der mit dem Schützen zu tun hat? MerCur 5, 1997:17-20).
[19] Liz Greene verbindet den Schützen mit Chiron, und bedauert, dass man mit dem Namen den kleinen Planeten benannt hat, der kürzlich zwischen Saturn und Uranus entdeckt wurde; ich glaube jedoch nicht, dass die mythologische Gestalt deshalb für den Schützen weniger relevant wäre (Greene, Saturn und Jupiter, S.89). In ihrem neuen Buch revidiert sie diese Ansicht (s.o. Anm. 15 und 16). Vgl. in diesem Zusammenhang die Chiron-Kapitel in: von Heeren und Koch, Pholus, S.60-71 und S.85-132.
[20] Paul Herrmann, Nordische Mythologie, Berlin, 1992:178. Zu Óðinn, Zeus und Jupiter als mythische Repräsentanten des neunten astrologischen Prinzips siehe auch: Herbert W. Jardner, Ekstase, Erkenntnis und die Erweiterung des Bewusstseins. Ódhinn, Zeus und Jupiter in Mythologie und Astrologie, Minden, 1998.
[21] Eva Hagemüller, Arjuna und Parzival. Vergleich eines östlichen und eines westlichen Einweihungsweges 1, Novalis 5, 1998:54.
[22] Liane Keller, Mythos der Sterne, Stuttgart, 1979:55-58.
[23] Vgl. Johfra, Astrologie, o.S. Metaphorisch betrachtet repräsentieren die astrologischen Zeichen Widder den sich entzündenden Funken, Löwe das lodernde Feuer und Schütze die Glut unter der Asche. Das Widderfell erinnert auch an Iason, der ein Schüler Chirons war, und mit der Argo ausfuhr, das Goldene Vlies heimzuholen
[24] Ca. 290-205 v.Chr.; Leiter der Bibliothek von Alexandria, Astronom, Mathematiker, Geograph und Autor von Sternmythen; Zeitgenossen nannten ihn Beta (zweitrangig), weil er auf vielen Gebieten, aber auf keinem gründlich beschlagen war. Wörtlich heißt es bei Eratosthenes: Dies ist der Schütze, von dem die meisten sagen, er sei ein Kentaur, andere dies aber verneinen, weil er nicht vierbeinig gesehen werde, sondern stehend und bogenschießend, und weil von den Kentauren keiner je einen Bogen gebraucht hat. Dieser ist vielmehr zwar ein Mann, hat aber Pferdebeine und einen Schwanz wie die Satyrn (vgl. Eratosthenes, Catasterismorum Reliquiae, 28).
[25] Verfasste im 2. Jahrhundert ein mythologisches Handbuch (Fabulae), das die wissenschaftliche Diskussion bis in die Neuzeit hinein beeinflusste. Für Chiron – Schütze siehe Hyginus, De Astronomia, 2.27.
[26] Berosus schrieb sein Hauptwerk über babylonische Geschichte und Astrologie in griechischer Sprache, um den Griechen die Geschichte Mesopotamiens nahe zu bringen. In der hellenistischen Welt des Alexanderreiches genoss sein Werk großes Ansehen, obwohl es den damaligen Gelehrten märchenhaft und unwahrscheinlich vorkam (z.B. Seneca). Selbst in der gebildeten griechischen und lateinischen Welt des ersten nachchristlichen Jahrhunderts war Berosus noch bekannt (bei Josephus).
[27] Zitiert nach Kurt Aram, Magie und Zauberei in der Alten Welt, Wiesbaden, 1998:34 (erstmals erschienen 1927). Robert von Ranke-Graves bietet eine andere Interpretation an: Pferde waren dem Mond geweiht. Tänzer in Pferdemasken beschworen den Regen herbei. Hier liegt anscheinend der Ursprung der Vorstellung von den Kentauren als einer Mischgestalt aus Mensch und Pferd (Griechische Mythologie. Quellen und Deutung, Reinbek, 1960:188).
[28] Vgl. auch die Hippokampen, die babylonischen Stiermänner oder die ägyptischen Sphinxe.
[29] Hesiod, Theogonie, 453-457, S.81-82. Vgl. a. Herbert J. Rose, Griechische Mythologie. Ein Handbuch, München, 1969:43.
[30] Howard Sasportas, Astrologische Häuser und Aszendenten, München, 1987:515.
[31] Dazu Liz Greene: Chiron kann sich auch als ein Gefühl der eigenen Häßlichkeit äußern, das keine andere Grundlage hat, als dass man dem vorherrschenden kollektiven Schönheitsideal nicht entspricht. Es kann auch als jenes Gefühl des Ausgestoßenseins zutage treten, das oft mit der Zugehörigkeit zu einer sozialen oder rassischen Minderheit einhergeht. Das Leben spielt uns manchmal den »Schwarzen Peter« zu, und an dieser Stelle taucht Chiron auf. Er ist der Joker, die schlechte Karte im Blatt, die alle noch so durchdachten Pläne über den Haufen wirft und uns zwingt, irgend eine Art von Handicap zu akzeptieren (Abwehr und Abgrenzung, S.226-227).
[32] Johfra, Astrologie, o.S.
[33] Michael Aschenbrenner, Der Tierkreis. Kosmische Aspekte zum Menschenwesen, Dornach, 1982:82.
[34] Stephen Arroyo, Das Jupiter-Handbuch. Der astrologische Schlüssel zu innerem und äußerem Wachstum, München, 1997:25. Dieser Kampf findet statt zwischen dem ungezähmten schöpferischen Geist und der Welt der Form und Verantwortung, die diesen Geist einzuschränken, zu disziplinieren und ans Heim zu binden versucht. Ich glaube, dass diese Auseinandersetzung die ganze Lebensweise des Schützen prägt. Der Schütze ist nicht einfach freies, impulsives Feuer; wäre es so, würde er sich selbst verzehren (Liz Greene, in: Der Mythos der individuellen Reise, in: Greene und Arroyo, Jupiter und Saturn, S.129). Zur Symbolik von Pfeil, Blut und Wunde im Chiron-Mythos vgl. Herbert W. Jardner, Antlitz Chirons; s.o. Anm.4).
[35] Greene und Arroyo, Jupiter und Saturn, S.131.
[36] Greene, Abwehr und Abgrenzung, S.267-268.
[37] Chirons Alter-Ego-Beziehung zu Zeus, wie ich sie an anderer Stelle diskutiere, weist über die begrenzte Perspektive eines verletzten Heilers hinaus auf Chirons Rolle als Schamane und Mysterienbegründer hin (vgl. hierzu Jardner, Antlitz Chirons, s.o. Anm. 4).
[38] Dane Rudhyar, Die astrologischen Zeichen. Der Rhythmus des Zodiak, München, 1983:28ff.
[39] Vgl. Aschenbrenner, Tierkreis, S.85.
[40] Vgl. Aschenbrenner, Tierkreis, S.85.
[41] Rudolf Steiner, Wahrspruchworte, GA 40; in: Aschenbrenner, Tierkreis, S.81 und 85.
[42] Rudolf Steiner, Die drei Begegnungen der Menschenseele mit den Wesen des Universums, in: Themen aus dem Gesamtwerk 17, Vom Wirken der Engel, Hg. Wolf-Ulrich Klünker, Stuttgart, 1996:61-62.
[43] Vgl. Rudolf Steiner, Mensch und Sterne, Themen aus dem Gesamtwerk 16, Hg. Heinz Herbert Schöffler, Stuttgart, 1990; Bernhard Lievegoed, Der Mensch an der Schwelle, Biographische Krisen und Entwicklungsmöglichkeiten, Stuttgart, 1994:109-132, hier: S.118-122.
[44] Vgl. Lievegoed, Mensch an der Schwelle, S.118.
[45] Begriff nach Herbert Witzenmann, Interview in Info3 Magazin, Herbst 1987.
[46] George und Gisela O`Neil, Der Lebenslauf. Lesen in der eigenen Biographie, Stuttgart, 1994:100.
[47] Gretchen Dutschke, Unser barbarisch schönes Leben. Rudi Dutschke - Eine Biographie, 1996:118.
[48] Alexander Ruperti, Kosmische Zyklen. Planetarische Muster des Wachstums, Berlin, 1997:66ff und S.80ff.
[49] Ilya Prigogine, Vom Sein zum Werden: Zeit und Komplexität in den Naturwissenschaften, 1980. Vgl. oben Anm 38 und 39.
[50] Auf die individuelle Biographie bezogen erörtert Mathias Wais diese Frage in Ich bin, was ich werden könnte. Entwicklungschancen im Lebenslauf, Ostfildern, 1995 sowie in Wais, Individualität und Biographie, vgl. Anm. 7.
[51] Für die philosophischen Ausführungen zur Chronologie vgl. Hermann Schmitz, System der Philosophie Bd. 1: Die Gegenwart, Bonn, 1966, hier: S. 437-438.
[52] Mircea Eliade, Das Mysterium der Wiedergeburt, Zürich, 1961. Für die Mythen vom primordialen Paradies: Mircea Eliade, Kosmos und Geschichte. Der Mythos der ewigen Wiederkehr, Reinbeck, 1986:126-143.
[53] Stephen Arroyo, Das Jupiter-Handbuch. Der astrologische Schlüssel zu innerem und äußerem Wachstum, München, 1997:23. Diesen Bezug Chirons zum Schützen formuliert auch Liz Greene: Dieser Kampf findet statt zwischen dem ungezähmten schöpferischen Geist und der Welt der Form und Verantwortung, die diesen Geist einzuschränken, zu disziplinieren und ans Heim zu binden versucht. Ich glaube, dass diese Auseinandersetzung die ganze Lebensweise des Schützen prägt(Liz Greene und Stephen Arroyo, Der Mythos der individuellen Reise, in: Saturn und Jupiter. Neue Aspekte astrologischer Praxis, München, 1998:129).
[54] Vgl. Wais, Ich bin, S.17.
[55] Sheldon B. Kopp, Triffst du Buddha unterwegs... Psychotherapie und Selbsterfahrung, Frankfurt a.M., 1994:8. Kopp zitiert hier Abraham Maslow, Self-Actualisation and Beyond, in: Challenges in Humanistic Psychology, ed. James F.T. Bugental McGraw-Hill, New York, 1967:36.
[56] Vgl. Ruperti, Zyklen, S.67.
[57] Kinder- und Hausmärchen gesammelt durch die Brüder Grimm, Bd.2, Frankfurt a.M., 1981:228-234.
[58] Borderline, Grenzzustand, Grenzfall. Heinz-Peter Röhr, Weg aus dem Chaos. Das Hans-mein-Idel-Syndrom oder die Borderline-Störung verstehen, Zürich, Düsseldorf, 1997. Zur Borderline-Persönlichkeit vgl. a. Otto F. Kernberg, Borderline-Störungen und pathologischer Narzissmus, Frankfurta.M., 1983 sowie Dieter Beck, Henriette Dekkers, Ursula S. Langerhorst, Borderline-Erkrankungen, Stuttgart, 1998. Eva Stangenberg vermutet in der Gestalt Chirons ein Bild der gespaltenen Persönlichkeit (Anders als die Anderen, in: Mercur 6, 1999:17).
[59] Henriette Dekkers, Grenzgänger zwischen Himmel und Erde. Borderline: eine Inkarnationsstörung der Seele auf dem Wege zur Welt, in: Beck u.a., Borderline Erkrankungen, S.60ff.
[60] Henning Köhler, Jugend im Zwiespalt. Eine Psychologie der Pubertät für Eltern und Erzieher, Stuttgart, 1994:19-20. Felicitas Vogt beschreibt unsere Gesellschaft als eine painkiller-society, und spielt damit auf die zunehmende Tendenz an, jegliches physisches und psychisches Unwohlsein, jede Nullpunkt-Erfahrung mit Hilfe von Alkohol, Drogen oder Medikamenten zu vermeiden. Die Möglichkeiten und Entwicklungsimpulse, die in jeder biographischen Herausforderung oder Krise mitschwingen, werden so nicht nur verschlafen, sondern zum Nachteil der persönlichen Entwicklung verspielt (vgl. Felicitas Vogt, Drogen, Sekten, New Age als Herausforderung. Bewußtseinserweiterung um jeden Preis?, Dornach, 1992; ebenso: Die Bedeutung der Waldorferziehung im Lichte der Drogenprävention, in: Herbert Kretschmer, Sucht und Prävention, Beiträge zur Sozialarbeit 2, Dornach, 1995).
[61] Rudolf Steiner, Die geistig-seelischen Grundkräfte der Erziehungskunst, GA 305.
[62] Rudolf Steiner, Schicksalsgestaltung in Schlafen und Wachen, in: Themen aus dem Gesamtwerk 17: Vom Wirken der Engel, Hg. Wolf-Ulrich Klünker, Stuttgart, 1996:82-83. Phänomenologisch betrachtet sind Engel bzw. Erzengel diejenigen Kräfte, die Gefühle des Guten, Schönen und Wahrem im Menschen erzeugen oder, wie Rudolf Steiner es formuliert, das, was als Gewissensstimme im Menschen aufflammt (Schicksalsgestaltung, S.91).
[63] Mathias Wais, Kairos und Chronos. Über das Wirken des Engels in der modernen Biographie, Die Drei 1, 1997:33.
[64] Manfred van Doorn, Sexualität – Zwischen Geist und Sinnlichkeit, Stuttgart, 1999:16.
[65] Eine vergleichbare Argumentation findet sich bei Manfred van Doorn in Bezug auf die Bedeutung der menschlichen Sexualität. Sein Buch leitet er mit einem Vorspiel über Paradoxien ein, Phänomenen, die darauf beruhen, von allem das Gegenteil zu denken und beides zugleich für wahr zu halten. Es gibt kein richtig und kein falsch, die Wirklichkeit wird zu einer Sache der Auslegung: Es lohnt sich, schreibt van Doorn, mit scheinbar nicht zu vereinbarenden Wahrheiten zu leben; es lohnt sich zu akzeptieren, dass man gleichzeitig glücklich und unglücklich, frei und unfrei, liebevoll und haßerfüllt, wissend und unwissend sein kann (Sexualität, S.17).
[66] Arroyo, Jupiter-Handbuch, S.25.
[67] Henning Köhler, Vom Ursprung der Sehnsucht. Die Heilkraft von Kreativität und Zärtlichkeit, Stuttgart, 1998:32-33.
[68] Antoine de Saint-Exupéry, Der kleine Prinz, Düsseldorf, 1956:52.
[69] Dieter Kühn, Der Parzival des Wolfram von Eschenbach, Frankfurt a.M. und Leipzig, 1991. Für den Begriff Wesenskraft vgl. Thomas Ring, Astrologische Menschenkunde, Bd.1: Kräfte und Kräftebeziehungen, Freiburg i.Br., 1990:62f.
[70] Zur Mythologie des Prometheus vgl. Anm. 1.
[71] Im Perceval verkörpert sich nun gleichsam jener natürliche Mensch, der vor das Problem des Bösen, der Beziehung zum Weiblichen und damit vor die Aufgabe der eigenen größeren Bewußtwerdung gestellt ist und dadurch auf vielen Umwegen die Erlösung des Graalsreiches vollbringt, dessen König er am Ende wird. Der zu erlösende Bereich aber wurde zutreffenderweise durch die Legende eben mit jener Anfangszeit des Christentums verbunden, in welcher das traditionelle Christusbild sich aus der Matrix des kollektiven Unbewußten herauskristallisierte und zugleich in seiner lichten Einseitigkeit seinen »Schatten«, das Bild des Antichrists von sich abstieß. Von jener selben Matrix her findet gleichsam in der Graalserzählung nun eine weitere Anreicherung des Selbstsymbols statt, durch welche eine weitere Auseinanderreißung der Gegensätze beendet und eine Versöhnung angestrebt wird. Für letztere jedoch dient das Individuum als Gefäß, denn nur wenn sie im einzelnen Menschen integriert erscheinen, können die Gegensätze sich vereinen. Das Individuum wird dadurch zu einem Receptaculum für die Wandlungen des Gottesbildes (Emma Jung und Marie-Louise von Franz, Die Graals-Legende in psychologischer Sicht, Zürich und Düsseldorf, 1980:119-120).
[72] Parzival und Óðinn sind Speerträger, Herakles benutzt Pfeil und Boden. Zur Symbolik dieser Waffen siehe oben sowie oben Anm. 4.
[73] Come mothers and fathers / Througout the land / And don ́t criticise / What you can ́t understand / Your sons and your daughters / Are beyond your command / Your old road is / Rapidly agin` // Please get out of the new one / If you can`t lend a hand / For the times they are a-changin`.
[74] Manfred van Doorn, Universal Man. Urmotive der menschlichen Biographie, Stuttgart, 1998:159.
[75] Siehe auch: Lorenzo Ravagli, Jugend als Sehnsucht nach Initiation, in: Novalis 12/1, 1995/96:36ff.
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