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Donnerstag, 19. Mai 2022

Abstieg in die Unterwelt


Pluto in Mythologie, Psychologie und Astrologie

Wenn Freund Tod kommt, ist bisher noch jeder gegangen.
Ruben Gonzalez

Die symbolische Bedeutung dessen, was die moderne Astrologie unter einer plutonischen Wesenskraft (Thomas Ring) versteht, fasste Johann Wolfgang Goethe in einem Vers zusammen:

Und solang ́ du das nicht hast;
Dieses: Stirb und Werde!
Bist du nur ein trüber Gast
Auf der dunklen Erde
.

Die Ambivalenz Plutos, der untrennbare Zusammenhang von Leben und Sterben, klingt auch aus den Worten des christlichen Mystikers Angelus Silesius: Wer nicht stirbt, bevor er stirbt, der verdirbt, wenn er stirbt. Denn das Alte muss sterben, damit die Zukunft entstehen kann. Was wir als Fähigkeit und Potential in unser Erdenleben mitbringen, welkt unvermeidlich dahin, damit neue Möglichkeiten zutage treten können - die Schnittstelle der Brüder Jupiter und Pluto. Mit den Kräften der Jugend pflanzen wir den Samen, um Blüte und Frucht aber müssen wir zeitlebens ringen. Goethe, dessen Aszendent und Pluto im achten Tierkreiszeichen, im Skorpion, stehen, hat sich in seinem Drama Faust ein plutobetontes Alter ego geschaffen: Als Mensch von ungezähmter Leidenschaft folgt Faust hemmungslos dem Drang seiner Libido. Nicht nur in Goethes Drama offenbart sich das Herbstzeichen Skorpion der menschlichen Erfahrung als ein Schauplatz heftiger psychischer Konfrontation und intensiv- archaischer Emotionalität, weshalb die klassische Astrologie wohl auch Mars als den Herrscher im Skorpion ansah.

Donnerstag, 21. Dezember 2017

Lichtträger in dunkler Zeit


Jupiter und Chiron als Herrscher im Schützen

Wir sollten erkennen, dass unser Leben eine Phase im Prozess der menschlichen Entwicklung darstellt.
Wenn wir uns mit unseren persönlichen Problemen beschäftigen, entgeht unserem Bewusstsein oft,
dass deren eigentlicher Hintergrund unsere Aufgabe ist, die entwicklungsgemäßen Herausforderungen
unserer Zeit auf konkrete und individuelle Weise in den Brennpunkt zu bringen
.
Dane Rudhyar

Richard Tarnas Einwand gegen die voreilige Benennung des Planeten Uranus belegt eindrucksvoll, wie wichtig profunde mythologische Kenntnisse für Astrologen sind. [1] In einer Zeit, in der die Astrologie mit einer beinahe inflationär anmutenden Erweiterung ihrer Deutungsfaktoren konfrontiert wird, deren symbolischer Umfang und analoge Bedeutung noch unzureichend erforscht sind, scheint eine Rückbesinnung auf ihr mythologisches Fundament geraten. Ignoriert man die Erfahrung der Fehlbenennung des Planeten Uranus, könnten in Zukunft ähnliche Diskussionen um die Berechtigung der Namen der Kleinplaneten folgen. Im Moment basiert Chirons symbolische Bedeutung auf zwei Vorschlägen: einerseits auf seinem Bahnverlauf zwischen Saturn und Uranus, aufgefasst als Pontifax zwischen der körperlich-materiellen Sphäre Saturns und der geistig-immateriellen des Uranus. Andererseits hat sich die Diskussion auf Chirons Rolle als verletzter Heiler konzentriert. [2]
Über beide Auffassungen läßt sich trefflich streiten, vor allem aber hinsichtlich der Reduktion des mythologischen Chirons auf seine Verwundung und deren Konsequenzen für seinen Lebenslauf. Die Antwort auf die Frage, welchem Tierkreiszeichen Chiron zugeordnet werden muss, wurde bisher noch nicht entschieden, [3] obwohl die mit Chiron verbundene Symbolik, Mythologie und Ikonographie unzweideutig ist. Befragt man zu diesem Zweck die mythischen Erzählungen, stößt man auf eine Beziehung zwischen Zeus (Jupiter) und Chiron, die die zentralen Aspekte der Chiron-Mythologie darstellt: Chiron als Alter ego des Zeus, seine an Zeus gebundene Biographie und seine mit Zeus vergleichbare Funktion als Schamane, Lehrer und Wissenschaftler sowie die Aufgabe des Kentauren im Prometheus-Mythos, in dem Zeus und Chiron erneut zusammentreffen. [4] Zweifel an der Nähe Chirons zu Zeus-Jupiter und dem von ihm beherrschten Zeichen lassen sich, insbesondere mit Blick auf das alljährlich neu erfahrbare Phänomen der Schützequalität, leicht ausräumen. Für ihre Legitimation und für ihr Selbstverständnis benötigt die Astrologie eine genaue, und vor allem aber eine seriöse Kenntnis ihrer phänomenologischen und mythologischen Grundlagen; gleichzeitig gebührt ihr dabei das Verdienst, die Überlieferung der Mythen in lebendiger Anschaulichkeit zu garantieren. [5]