Pluto in Mythologie, Psychologie und Astrologie
Wenn Freund Tod kommt, ist bisher noch jeder gegangen.
Ruben Gonzalez
Die symbolische Bedeutung dessen, was die moderne Astrologie unter einer plutonischen Wesenskraft (Thomas Ring) versteht, fasste Johann Wolfgang Goethe in einem Vers zusammen:
Und solang ́ du das nicht hast;
Dieses: Stirb und Werde!
Bist du nur ein trüber Gast
Auf der dunklen Erde.
Die Ambivalenz Plutos, der untrennbare Zusammenhang von Leben und Sterben, klingt auch aus den Worten des christlichen Mystikers Angelus Silesius: Wer nicht stirbt, bevor er stirbt, der verdirbt, wenn er stirbt. Denn das Alte muss sterben, damit die Zukunft entstehen kann. Was wir als Fähigkeit und Potential in unser Erdenleben mitbringen, welkt unvermeidlich dahin, damit neue Möglichkeiten zutage treten können - die Schnittstelle der Brüder Jupiter und Pluto. Mit den Kräften der Jugend pflanzen wir den Samen, um Blüte und Frucht aber müssen wir zeitlebens ringen. Goethe, dessen Aszendent und Pluto im achten Tierkreiszeichen, im Skorpion, stehen, hat sich in seinem Drama Faust ein plutobetontes Alter ego geschaffen: Als Mensch von ungezähmter Leidenschaft folgt Faust hemmungslos dem Drang seiner Libido. Nicht nur in Goethes Drama offenbart sich das Herbstzeichen Skorpion der menschlichen Erfahrung als ein Schauplatz heftiger psychischer Konfrontation und intensiv- archaischer Emotionalität, weshalb die klassische Astrologie wohl auch Mars als den Herrscher im Skorpion ansah.
Pluto in Mythologie und Psychologie
Die Mythologie Plutos (griech. Hades) ist mit der Unterwelt und so mit dem
kollektiven Unbewussten der Menschheit verbunden, mit allgemein
menschlichen, unbewussten Antrieben und Impulsen. Pluto war
anscheinend nicht immer ein Gott der Unterwelt, ein Herrscher über das Reich
der Verstorbenen.
Kronos (lat. Saturn), einer der Titanen und Sohn des Ouranos (Himmel) und der
Gaia (Erde), überfiel seinen Vater, entmannte (entmachtete) ihn, und gewann so
die Weltherrschaft. Kronos wurde im römischen Pantheon mit Saturnus
identifiziert, der ursprünglich vielleicht ein Erntegott war, wie denn auch sein
Name, der etymologisch mit Saat zusammenhängt, vermuten lässt. Auch die
Sichel, mit der er Ouranos entmannte, spricht für diesen Zusammenhang, ist
aber auch als Mond- und Fruchtbarkeitssymbol interpretierbar. Um seinerseits
nicht von der nächsten Generation überwältigt zu werden, verschlang Kronos
seine Kinder. Nur seinem Sohn Zeus gelang es, sich mit Hilfe Gaias zu retten; er
zwang seinen Vater Kronos zum Verzicht auf Herrschaft und Macht, und bestand
darauf, dass dieser die verschlungenen Geschwister freigab, unter anderen auch
seinen Bruder Pluto. Die griechische Mythologie kennt eine männliche und
weibliche Trinität der Nachkommen des Kronos: Zeus, Poseidon, Hades und
Hera, Demeter, Hestia. Die drei Söhne des Kronos - Hades, Poseidon und Zeus -
teilten den Kosmos und die gestaltende Kraft der Elemente unter sich auf; im
männlich dominierten Pantheon der Olympier gehen die Frauen leer aus. Wie
Reinhard Falter anschaulich schildert, bilden Hades, Poseidon und Zeus eine
Dreiheit von Erscheinungsformen einer All-Gottheit, der Erde, Himmel und
Wasser erschütternden und beruhigenden Macht (Novalis 10, 1998): Zeus im
Olymp (Luft; Feuer-Blitz), Pluto in der Unterwelt (Erde; Sumpf), dem Totenreich,
und Poseidon im Meer (Wasser). Die Aufteilung der Welt unter die drei Brüder
entspricht der Vorstellung von drei Reichen, dem Unterirdischen, dem Irdischen
und dem Überirdischen, einem dreigeteilten Kosmos, in dem Götter, Menschen
und Verstorbene (Ahnen) die unterschiedlichen Ebenen eines kosmischen
Weltenbaumes bewohnen.
Pluto oder Pluton (griech. der Reiche) war ursprünglich wohl der älteste der drei Brüder, der auch als Zeus Chthonios, unterirdischer Zeus, verehrt wurde. Als Tier ist ihm der dreiköpfige, schlangenköpfige Hund Kerberos zugeordnet, seine Naturlandschaft ist durch Schluchten und Sümpfe geprägt. Seltsamerweise ist sein Mythos überaus spärlich. Wahrscheinlich geht die Vorstellung eines Unterweltgottes auf eine archaische Repräsentation der in der Erde ruhenden Vegetativkräfte und Reichtümer zurück, auf die Fruchtbarkeit der Felder, aber auch der Metalle und Bodenschätze, denen die Menschheit Nahrung und Zivilisation verdankt.
Die Planetensymbole der Astrologie repräsentieren Bereiche der menschlichen Psyche, im Unbewussten entstehende oder aus der Umgebung deponierte Bilder, für die der Mensch schwingungsfähig ist. Carl Gustav Jung hat diese Auffassung in seiner Theorie der Archetypen ausführlich untersucht und begründet. In psychoanalytische Terminologie übertragen vertritt Pluto das Es, das unbewusste Reservoir der Triebe und Affekte. Jessie Adler Gral greift Plutos Affinität zum Unbewussten auf, und bezeichnet ihn als einen Goldgräber, der uns das Gold aus der Tiefe unseres eigenen Unbewussten schenkt, und uns damit reich macht. Obwohl Pluto die chthonische Ebene der griechischen Mythologie vertrat, war er selbst doch nie chthonisch oder erdmütterlich. Er erscheint meist als alter Mann, der weder dem Raub des Kerberos durch Herakles noch dem Tote erweckenden Frevel des Asklepios etwas entgegensetzen konnte. Im Mythos von Asklepios ist es sein Bruder, der Vertrags- und Eidgott Zeus, der das Recht des Todes als Voraussetzung des Lebens in Schutz nimmt.
Der griechische Hades war auch der unterirdisch-jenseitige Raum, wo die Ahnen sich nach ihrem Tode versammelten, und selbst der Tartaros, in den die Geschöpfe des Ouranos verbannt waren, unterstand seiner Macht. Auf diese Weise bewahrt Pluto den Anspruch, dass die olympische Weltordnung auch das Reich der Unterirdischen einbezieht. Mit der Fruchtbarkeit der unter der Erdoberfläche liegenden Regionen konnte Pluto schon deshalb in Zusammenhang gebracht werden, weil die kretische und griechische Kultur das Korn in unterirdischen Behältern aufbewahrte. Erst allmählich wandelten sich die Vegetativkräfte des Bodens zum personifizierten Gott der Unterwelt und des Reichtums, der als Plutos gerne als Knabe mit einem Füllhorn dargestellt wurde. Das Bild des Füllhorns, als Insignie Plutos, weist eindeutig darauf hin, dass sich der Reichtum des Lebens dem Tode verdankt, das aus dem vergangenen Leben zugleich das neue entsteht. Die ägyptische Mythologie trennt diese Vorstellung in die Gestalten des Osiris und des Horus, wobei auch hier - wie im Demetermythos - das keimende Korn im Zentrum dieser Mythologie steht. Den pelasgischen Griechen verkörperte Pluto den Reichtum einer Welt unter der Erdoberfläche, für sie war er der Ungesehene und zugleich der Nährende (Trophonios); noch Hesiod nennt ihn Aidoneus, den Unsichtbaren. Verehrt wurde Pluto ursprünglich vielleicht vor allem als Sohn-Gemahl der Großen Erdmutter, der wahren Herrscherin der Erde, ob ober- oder unterirdisch, welche die Menschen als Quelle ihres Reichtums ansahen. Kultisch bedachte man ihn aber weder in Griechenland noch in Rom besonders. Auch in der bildenden Kunst stellte man ihn selten dar. Von Seneca wissen wir allerdings, dass er den Ausdruck Juppiters, aber den eines donnernden Juppiters trägt, und Jacob Burckhardt hat darauf hingewiesen, dass die drei olympischen Brüder in der plastischen Darstellung als Abweichungen eines Typus auftreten. In den Überzeugungen der Nachgeborenen löste sich Pluto allmählich von seiner Mutter-Gemahlin, behielt aber Aspekte ihrer ambivalenten Position als Ernährerin und Verschlingerin bei. In den Mythen der patrilinearen indoeuropäischen Griechen war Hades-Pluto dann immer weniger der wohlwollende Spender irdischen Wohlstands; als Antipode des Lebens wurde er zunehmend verhasst, da der Aufenthalt in seinem Reiche als sinnlos, da irdischen Freuden entrückt, angesehen wurde. Niemand entkam jemals wieder seiner Machtsphäre. In der klassischen Zeit Griechenlands war Pluto ein finsterer Gott, den ein Zug düsterer Trauer vom Zeusideal trennte. Der wichtigste Mythos, der von diesem Gott überliefert ist, handelt von Persephones Entführung und ihrer Heirat mit Pluto. Als Göttin der Toten, und da sie Demeters Tochter ist, als Göttin der Fruchtbarkeit, zeigt sie den gleichen ambivalenten Charakter wie ihr Gemahl und Onkel Pluto, der ja ebenfalls als Gott der Fruchtbarkeit und des Todes galt.
Im ersten Band von Ursprung und Gegenwart interpretiert Jean Gebser das Mythologem von Plutos Vater, des obersten der Titanen, Kronos, als Ausdruck mythischer Zeithaftigkeit, der die mythisierend vorausgeträumte Vorform des Begriffs Zeit enthält. Die Sichel des Kronos, seine meist verschleierte Darstellung, begreift er als Mondsymbol, wobei der Mond in den Fruchtbarkeitsvorstellungen der frühen Ackerbaukulturen eine entscheidende Rolle spielte (vgl. oben Saat / Saturn). Kronos Beziehung zur Zeit, die vernichtet und erzeugt, so Gebser, äußerst sich insbesondere im Verschlingen und Wiederausspeien seiner Kinder: mythische Zeit ist das immerwährende Sich- Erfüllen des Kreises, der ja von sich aus Symbol der Seele ist.
Pluto, der Gott der Unterwelt und jüngste Sohn des Kronos, hat Anteil an dessen Zeithaftigkeit, und zwar an dem dunklen, verschlingenden Aspekt der Zeit, während Zeus den lichten, erschaffend-ordnenden repräsentiert. James Hillman vergleicht den Gott der Unterwelt mit der aufgehobenen Zeit, in der kein Sinn mehr zu erkennen ist – ein Hinweis auf den endgültigen Tod, den der Kult der Großen Mutter, der an zyklischen Rhythmen und Wiederholungen von Sonne und Mond orientiert war, nicht kannte. Schon allein der Gedanke an den Tod als den endgültigen Vernichter individuellen Wachstums und persönlicher Entwicklung erschüttert das alltägliche Leben des modernen Menschen noch genau so katastrophal, wie es einst den antiken Menschen aus der mythischen, kreisend gedachten Zeit der ewigen Wiederkehr herauslöste, ihm so ein Gefühl der Sinnlosigkeit menschlichen Strebens gab. Der Tod gehört zu den Unvermeidlichkeiten der menschlichen Existenz: In der Ilias vergleicht Homer die Menschen mit Blättern, die der Wind herunterschüttelt, die griechische Lyrik nennt sie die Ephemeroi, die dem Tage ausgesetzten; im 20. Jahrhundert spricht Martin Heidegger schlicht von der Endlichkeit menschlicher Existenz.
Nur oberflächlich betrachtet ist der Weg in die Unterwelt sinnlos, schenkt er dem Menschen doch den Reichtum (Pluton, der Reiche) der Tiefe, der Bilderwelt des Unbewussten, ein faszinierendes, verborgenes Geheimnis, das die astrologische Deutung, und so Pluto nicht völlig gerecht werdend, vorwiegend dem zwölften Haus zuordnet. Anders als Neptuns imaginärer Zugang zum Unbewussten, repräsentiert Pluto jedoch die Negation des vom bewussten Ich geleiteten Lebens, Dämon rationalistisch-materialistischer Weltanschauung schlechthin. Hierin liegt der Grund dafür, warum ihn die dem Logos zugewandten Griechen selten darstellten oder Tempel für ihn errichteten. Wer ihm opferte oder ihn verehrte, tat dies mit abgewandtem Gesicht. Schon der sumerische Mythos vom Abstieg Innanas (der griech. Demeter-Persephone) in die Unterwelt berichtet vom bannenden Blick des Todes. Indem sie ihre dunkle Schwester Ereschkigal anschaut, ihrem Blick ausgesetzt, konnte auch die Göttin des Lebens, der Liebe und der Fruchtbarkeit nicht widerstehen, und die Erde vertrocknete. Pluto mit abgewandtem Blicke zu opfern entspricht der Erfahrung, dass man den Mächten des Todes verfallen ist, blickt man sie unverwandt an. Dieses unerbittliche Gesetz vergaß Orpheus, als er seinen Blick der ihm folgenden Eurydike zuwandte. Auch Lots Weib verstieß gegen dieses Gebot der Überirdischen, übertrat Jahwes Blick-Tabu und erstarrte zur Salzsäule, als sie hinter sich blickte, um die zerstörerische Macht Gottes über Sodom und Gomorrha zu beobachten. Das schreckenerregende Antlitz der Gorgo Medusa vermag ähnliches. Plutos Begegnung mit der Welt erfuhren die Griechen stets als einen Akt der Gewalt, als eine Übertretung, ähnlich einem blitzartigen Einbruch in ihre alltägliche Lebenswelt wie ihn wohl am deutlichsten der Mythos vom Raub der Persephone schildert, der als eine Vergewaltigung dargestellt wird. Die transformierende und Ich-auflösende Begegnung mit Pluto, die Kore (das Kornmädchen) zu Persephone (der Göttin der Unterwelt) werden ließ, erfordert deshalb auch eine hohe Ich-Festigkeit, den Wunsch und Willen, den Individuationsweg bis ans Ende zu gehen, um die Fülle vorhandener Fähigkeiten voll auszuschöpfen. Pluto leitet die schon erwähnte Rückkehr des Menschen zu sich selbst – auf einer anderen Entwicklungsstufe – ein. Dies kann nur der angemessen nutzen, der weder in Gefahr läuft, sich – von Archetypen überwältigt - in der dunklen und chaotischen Welt des Unbewussten aufzulösen, noch in der Anonymität der Welt des kollektiven Bewusstseins zu verlieren. In ihrem Buch Dimensionen des Unbewussten kommen Liz Greene und Howard Sasportas zu der Auffassung, dass mit Pluto insbesondere der Trieb zur Selbstbehauptung und Selbsterhaltung gemeint ist, weshalb plutonische Menschen auf der Körperebene häufiger Adrenalinausschüttungen erfahren, die sie selbst ständig in Bewegung halten, bei ihrem Gegenüber aber Angriffs- oder Fluchtmechanismen auslösen. Zentrale Radix-, Inter- oder Transitaspekte (Konjunktion, Opposition, Quadrat) Plutos zu Sonne oder Mars weisen darauf hin, dass das Ich als bewusstseinsfähige Instanz des Selbst von plutonischen Überlebensmechanismen dominiert wird. Die Rückkehr aus der Unterwelt – nach der Veränderung der Welt durch die Auseinandersetzung mit deren Innen- und Außenseite (Intro- und Extraversion) – erlebt der Mensch als die befreiende Wirkung Plutos, als Selbstveränderung und Persönlichkeitswandlung. Die dazu unbedingt benötigte Fähigkeit nennt Erich Neumann Zentroversion, die mit der Bildung des Ich und der Festigung des Bewusstseins versucht, die Persönlichkeit des Menschen zu schützen, um so der plutonischen Gefahr der Auflösung entgegenzuarbeiten: In diesem Sinne, schreibt er in seiner Ursprungsgeschichte des Bewusstseins, ist die Bildung der Individualität und ihre Entwicklung die produktive Antwort der Menschheit auf die »perils of the soul«, die ihr von innen her, und auf die »perils of the world«, die von außen her drohen. Das Ziel, das mit diesem hohen Entwicklungsstadium des Ich-Bewusst- seins verbunden ist, diese Ich-Festigkeit, die wieder aus Plutos Reich herausführt, liegt in der bewussten Reflexion, die es dem Menschen ermöglicht, in den tiefen Sinn und die Geheimnisse des Lebens einzudringen. Die Unzerstörbarkeit des Ich, das durch diese Reflexion bewirkt wird, das eigentliche Ziel der Zentroversion, hat ihr mythisches Vorbild in der Überwindung des Todes, in der Emanzipation des Menschen gegenüber der plutonischen Aufhebung und Auflösung der individuellen Persönlichkeit. Die wirkliche Bedeutung Plutos unterschätzend, beklagt Achilleus dessen dunkle Seite: In der Odyssee wünscht sich dieser größte Held des Kampfes um Troja, lieber wolle er in der Oberwelt Ackerknecht eines Armen sein, als König aller Toten in der Unterwelt. Zuletzt entzieht sich Pluto allerdings der Dimension der Zeit, da er die Negation des Sinns repräsentiert: All diese »negativen« Beweise fügen sich zusammen zu dem deutlichen Bild des Vakuums, eines umschlossenen Raumes oder einer Tiefe, die unerkannt, aber benennbar ist, und fühlbar, wenn schon nicht sichtbar. Hades ist kein Fehlen, sondern verborgenes Vorhandensein – sogar eine unsichtbare Fülle (James Hillman). Die narrative oder dramatische Darstellung der antiken Mythologie öffnet den inneren Raum des Individuums und ermöglicht das Eindringen des »kleinen Volkes« wie C.G. Jung die Bilder und Phänomene, die aus dem archetypischen Urgrund des Unbewussten aufsteigen, genannt hat. Die gelebte Erfahrung der Inhalte des Unbewussten entspricht der Erkenntnis, die für die antiken Griechen in der Begegnung mit dem Göttlichen und deren Darstellung im Mythos lag.
Plutos Domizil im Skorpion
Der alte Zustand der Persönlichkeit wird im Herstellen eines Neuen vernichtet.
Olga von Ungern-Sternberg.
Seit seiner Entdeckung durch Clyde Tombaugh, im Jahr 1930, macht Pluto die
Herrschaft im achten Zeichen des Tierkreises dem Planeten Mars streitig. Der
Skorpion, dem Pluto heute zugeordnet ist, gehört zu den drei Wasserzeichen der
Astrologie. In Mythologie, Alchemie und Psychologie symbolisiert Wasser die Welt der Gefühle beziehungsweise die Hingabe an das Gefühl, emotionales
Engagement und die Möglichkeit einer Änderung oder Wandlung, die schrecklich
und faszinierend zugleich erscheint. In den Wasserzeichen und Wasserhäusern
des Tierkreises geht es um Themen, die selbst im therapeutischen Setting nur
mühsam in Worte zu kleiden, schwierig zu äußern sind. Hier geht es um
verborgene Teile der Persönlichkeit, vielfach unbewusste Inhalte der Psyche, von
denen wir oft hoffen, dass sie nie ins Licht der Sonne gelangen. Nur zu gerne
lassen wir sie am Grunde des innerpsychischen Sees in Frieden ruhen. Was wir
befürchten ist, dass sie uns zutiefst aufwühlen. Im Gegensatz zum weiten Meer
der Fische und zum klaren Süßwasser des Krebses repräsentiert der Skorpion
das trübe Wasser der Sümpfe, das erst nach längeren organischen
Zersetzungsprozessen gereinigt in den Wasserkreislauf zurückkehrt. Wasser wird
assoziiert mit tiefen Gefühlen und abgründigen Leidenschaften, mit allem
Feuchten und Formbaren. Die achte Energie des Tierkreises bewirkt eine
beträchtliche Intensität der Gefühle, eine Leidenschaft, die maßlos werden kann.
Pluto gestattet wenig Beschaulichkeit. Er konfrontiert mit psychischen
Grenzbereichen und besteht auf heftigen Erfahrungen. Das wässerige Milieu, in
dem Pluto wirkt, lockert zusätzlich die Festigkeit der Materie, verflüssigt die
Fixierung an physisch-irdische Phänomene; Tränen lösen seelische Widerstände
auf, sodass das weich gewordene psychische Material ungehindert fließen kann:
Für Seelen ist es nicht Tod, sondern Genuß feucht zu werden, überliefern die
philosophischen Fragmente des Vorsokratikers Heraklit. Zweimal in denselben
Fluss zu steigen sei unmöglich, so lautet seine Botschaft; der Fluss zerstreut
und bringt wieder zusammen. Träumt jemand vom Wasser, so bedeutet dies,
dass sich der Griff des Bewusstseinsfeldes (Ich) lockert, um Symbolen, Bildern
und Ausdrucksweisen in der Psyche Raum zu geben.
Im dritten Quadranten ist der Skorpion ganz auf die willentliche Auseinandersetzung mit dem »Du« gerichtet. Nicolaus Klein charakterisiert diese Haltung in
seinem Arbeitsbuch zur Astrologie – trotz der wässrig-seelischen Grundtendenz
des Skorpions – als eine kopfbetonte Du-Bezogenheit, die fest gegründet im
eigenen Willen auf die Herausforderungen durch die Welt der Ideen reagiert. Der
Skorpion ist ganz durchdrungen vom Enthusiasmus, bringt sich mit ganzem
Herzen in eine Du-Begegnung ein. In Beziehungen hat der Partner dem
plutonischen Charisma kaum etwas entgegenzusetzen, er ist wie hypnotisiert
von der emotionalen und sexuellen Attraktivität des achten Prinzips. Skorpionbetonte Menschen neigen dazu, wie Goethe im Faust demonstriert, ganz
in die sich ihnen öffnende Erlebniswelt einzutauchen, im Wortsinn ihre Seele zu
verkaufen, um durch gegenseitigen gedanklichen Austausch persönliche
Erfahrungen und Lebensgeschichten fruchtbar zu machen. Plutobetonte
Menschen suchen aber auch den Kampf innerhalb von Beziehungen - wie es die
griechische Mythologie im Pluto-Persephone-Mythologem darstellt – weil Liebe
ohne Kampf und Krise dem Plutonier keine Möglichkeit der Veränderung birgt. Es
ist ein Verlangen nach Intensität um jeden Preis, das sich hier Geltung
verschafft. Mit der im Skorpion schon abnehmenden Tagkraft (Dane Rudhyar)
hängt aber auch die Manipulation der psychischen Energien anderer zusammen,
wodurch Faust Margaretes tragischen Tod verursacht. Indem Faust um Befreiung
und Wandlung ringt, gewinnt er selbst das Leben indem er sich dem Bösen
übergibt, bringt er den Tod für die, die er am meisten liebt: für Margarete.
Plutonische Menschen erliegen häufig einer destruktiven Täter-Opfer-Dynamik,
erlangen aufgrund ihrer Anziehungskraft leicht Einfluss auf das Unbewusste
anderer, den sie dann zur eigenen Bedürfnisbefriedigung und zur Manipulation
ausnutzen.
Im Herbst, wenn die Sonne in den Skorpion wechselt, verlieren die Bäume ihre Blätter, wendet sich die Pflanzenwelt nach innen und bereitet sich auf den nahenden Winter vor. In seinen auf Rudolf Steiners Erkenntnissen beruhenden Studien zu den zwölf Tierkreiszeichen ordnet Michael Aschenbrenner den Skorpion den unteren, nächtigen Sternzeichen zu, die auch in der menschlichen Organisation dem unteren, dem Willenspol entsprechen, den Skorpion eben dem Uro-Genitalbereich. Am deutlichsten ist diese willenhafte Haltung der nächtigen Tierkreiszeichen beim Skorpion ausgeprägt, dem die anthroposophische Astrologie ja auch eine von den Willenskräften beherrschte Weltanschauung zuordnet. In seinen Planetenstimmungen formuliert Rudolf Steiner das Wesen des Skorpions, den Gestaltwandel wie Thomas Ring es in seiner astrologischen Menschenkunde nennt, mit folgenden Worten:
Das Sein, es verzehrt das Wesen,
Im Wesen doch hält sich Sein.
Im Wirken entschwindet Werden,
Im Werden verharret Wirken.
Michael Aschenbrenner hat diese rätselhaften Zeilen Steiners übersetzt, und darauf hingewiesen, dass sich die psychische Spannung skorpionbetonter Menschen in der Überwindung des Gegensatzes von Innen und Außen, von Werden und Wirken im Verlauf persönlicher Entwicklung mildern lässt. Wendet sich die Schärfe des Denkens und das Ergreifen des Irdischen allein dem Äußeren zu, beschränkt es das innere Sein, das dem fixen Zeichen Skorpion zu seiner Orientierung in der Außenwelt verhilft. Auf die Möglichkeit eines zukünftigen Gestaltwandels weist das individuelle Leben selbst hin, das mit seinen Emotionen in die irdische Welt der Formen Wesen verzehrend eintritt. Wendet sich menschliches Wirken allerdings einseitig nach außen, beschränkt dies die Möglichkeiten individuellen Werdens, das sich nur dann reich entfaltet, wenn sich das Wirken willentlich dem Noch-Ungeborenen, dem im Lebensplan noch ungestalteten, zuwendet. Auch für Jessie Adler Gral bilden Wille und Wandlung die Essenz des achten Tierkreiszeichens. Sie definiert Plutos Qualität mit Attributen wie Kraft, Macht, dem Willen zur Tat sowie dem Streben nach Transformation und Wandlung. Das Ziel plutonischer Energien dringt unmittelbar zum Kern der Dinge vor, um diese gründlich zu verwandeln. Plutonische Zerstörung richtet sich dabei insbesondere gegen überholte Strukturen. Pluto schleudert den Schatten der menschlichen Person mit Gewalt aus seinem im Unbewussten liegenden Kerker, um neben die Erkenntnis des im eigenen Selbst schlummernden Bösen auch die verdrängten wertvollen Qualitäten und Fähigkeiten zu befreien, die der Mensch zu seiner Individuation benötigt. Plutonische Wandlungsprozesse setzen Zerstörung und Erneuerung, Tod und Wiedergeburt voraus: Es ist dies der tiefste Aspekt der Sternenkräfte des Skorpions, der dereinst sich erheben soll aus der Tiefe der Todesnacht, des Hauses der Finsternis in die lichten Höhen des Geistes, indem er zum Adler sich wandelt, zu jenem Himmelsbild, von dessen Höhen er einst herabgestürzt ist, so Michael Aschenbrenner. Wie griechische Götter und Heroen in ihren Initiationen und Mysterien, begibt sich auch Faust auf die Suche nach seinem eigenen Wesen, nimmt die Herausforderung (des Wirkens um zu Werden) der Integration des Materiellen (außen) und Geistigen (innen) an. Innerlich gewandelt und geläutert, stirbt Faust, der magischen Macht und Wunscherfüllung überdrüssig; zuletzt erlangt er, spirituell neu geboren, die ersehnte Erlösung.
Planetenprinzipien (ob als Wesenskräfte, Archetypen oder Götter) sind polare
Energien: Je nach dem, wie sich ihre Wirkung im menschlichen Handeln entfaltet, manifestieren sie sich als zerstörerische oder schöpferische
Erfahrungen, als blockiert oder gereift. Zwischen den Extremen eines Entweder-
Oder, dem besonders plutobetonte Menschen immer wieder gefährlich nahe
kommen, liegt das breite Spektrum des in freier Entscheidung getroffenen
Sowohl-Als-Auch. Verdrängung oder Projektion, als zentrale Aggressionsabwehr
plutonischer Menschen, ist dafür verantwortlich, dass sie immer das
heraufbeschwören, was sie zu vermeiden trachten. Aufgrund dieser psychischen
Dynamik finden sich plutobetonte Menschen so oft in Opfer-Täter-Szenarien
wieder, in denen andere stellvertretend ausleben, was ein Plutonier inszeniert;
so ereilen ihn die eigenen, verdrängten da abgelehnten Gefühle (Eifersucht,
Neid, Angst) von außen. Auslöser solcher Situationen sind vor allem Plutos
Transite über die persönlichen Planeten und Achsen, die für eine offene oder
versteckte Austragung projizierter oder verdrängter Gefühle sorgen: Immer aber
geht es um die Konfrontation mit Anteilen der eigenen Persönlichkeit.
Pluto bedeutet jedoch nicht allein Zerstörung, Kontrolle und Dominanz, Manipulation,
Macht und Angst, er bewirkt auch Heilung, geistige Potenz, Neuschöpfung und
Regeneration. Seine heilende Wirkung offenbart Pluto allerdings nur dem, der
bedingungslos bereit ist, seine Angst zu überwinden, die Kontrolle und Macht
über Menschen, eigene Verhaltensweisen oder Beziehungen loszulassen. Der
Sinn plutonischer Transformation liegt gerade darin, auch dann noch Vertrauen
in sich selbst zu fassen, wenn die persönliche Entwicklung einen Tiefpunkt
durchschreitet, um in dieser Phase neue Kreativität zu entwickeln, Klarheit über
die eigene Biographie zu gewinnen, um die noch unvollkommenen Bereiche der
Persönlichkeit, das Noch-Ungeborene im Lebensplan, zu integrieren. Im achten
Tierkreiszeichen, mit Pluto als Herrscher, geht es um die Bewusstwerdung meist
fundamentaler Lebensaspekte und deren Metamorphose, einer Art Wiedergeburt
auf höherer geistiger Ebene. Alles dreht sich hier um die Libido, um die
schöpferische Kraft psychischer Energie, um das Mysterium der Selbstverwirklichung zwischen Geburt, Tod und Auferstehung. Plutos Prinzip ist freiwilliger
Verzicht zur Wandlung: Zu diesem Zweck eliminiert er Grenzen, zerbricht
vorhandene Formen, löst sie vollständig auf. Kompromisslos beseitigt Pluto Altes,
Überkommenes und nicht mehr Gültiges. Sein Werk der Zerstörung und
Umwandlung setzt ungeheure Energien frei, die anschließend für die Schaffung
neuer Formen verwendet werden können – Pluto befreit des Wesens Kern.
Pluto ist Herrscher über eine besondere Unterwelt, die Innenwelt der menschlichen Psyche. Zwangsläufig repräsentiert Pluto deshalb auch des Menschen Doppelgänger, das abgelehnte Böse, für das Goethe den Namen Mephistopheles fand, und der zuletzt nichts anderes ist als Fausts leidenschaftliches Streben nach Selbstverwirklichung und Verwandlung seines Selbst. Verleugnete, deshalb nicht minderwertige Anteile der Persönlichkeit, archaische Einstellungen von mitunter gewalttätiger psychischer Energetik, unterliegen dem Einfluss Plutos, mit anderen Worten: die Abgründe der menschlichen Seele. Pluto besitzt eine unmittelbare Assoziation zum Magischen und Dämonischen. Er wird - wie die Mythologie zeigte - eher mit dem Unterweltlichen (Hades, Hölle) als mit den lichten Höhen des Olymps verbunden wo sein Bruder Zeus-Jupiter und die anderen Götter herrschen. Zwang, Unterdrückung, Missbrauch, Besessenheit und Manipulation sind Aspekte der dunklen Seite Plutos, Transformation, Erneuerung und Wiedergeburt repräsentieren seine schöpferische Seite. Die plutonischen Energien – Wille, Macht, Leidenschaft, Kontrolle, Suggestion und Manipulation - sind nicht nur schöpferisch, und nicht nur zerstörerisch, sondern das eine durch das andere und nur im Zusammenhang mit menschlichen Motiven und Intentionen; Plutos kaum kontrollierbarer Dynamik überlässt man sich am besten gelassen und akzeptierend, da ihrem Einbruch in biographisches Ringen nichts entgegengesetzt werden kann. In der religiösen Ekstase antiker Mysterien stand die Deifikation des Mysten im Mittelpunkt der Riten, von denen Hippolytos sagte, Das ist das »Erkenne dich selbst« (gnosti auton). Pluto, wie Ernst Ott ihn versteht, vermittelt auf einer transzendenten Ebene zwischen den Extremen uranisch-individualistischer Befreiung und neptunischer Symbiose und Grenzenlosigkeit, ist er der letzte und äußerste Anstoß zur Ganzheit. Dies ist gut gesagt, den in der Skorpion-Phase des Tierkreises strebt der Mensch zuallererst danach, sich selbst zu erkennen.
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