Sonntag, 29. Januar 2017

Das Urbild des Rebellen


Uranus oder Prometheus im elften Zeichen und Haus?

Die Generalisierungen, die jetzt folgen, können nur helfen, eine Perspektive zu vertiefen
auf bestimmte Bildergruppen hin, aber sie können keine umfassende Erklärung
eines speziellen Bildes sein, das vielleicht in deinem Traum erscheint
.
James Hillman

Uranus! Wie hätten die Astronomen am Vorabend der Französischen Revolution den Neuen unter den Wanderern um die Sonne auch anders nennen können? Der Name für einen Archetypus, für die elfte kosmische Energie, [1] der immerhin Saturn im klassischen System der Astrologie die Zeichen- und Hausherrschaft im Wassermann streitig machte. Der Name Uranus, nur ein Zeitphänomen, entsprungen einer Augenblickslaune spezifischer historischer und politischer Verhältnisse, ein aktueller Trend? Über das persönliche hinausweisend, schreibt Thomas Ring, stellt Uranus in irgendeiner Form die Verbindung zum Zeitgeist her, sei es als Erfinder- oder Entdeckertätigkeit, in politischen oder kulturellen Umgestaltungen oder nur im Teil-haben an «Ismen» oder «typisch modernen» Lebensformen. Tieferes Erfassen des Zeitgeistes, dem Durchschnitt vorauseilend, führt praktisch zur Haltung des Unzeitgemäßen, gegen den Strom Schwimmenden, für die Masse nicht zu unterscheiden vom bloß Abseitigen, dem Sonderling. [2] Diese prinzipielle Definition enthält schon alle wesentlichen Kriterien der astrologischen Uranus-Signatur. Mehr zur Stellung von Uranus in der Astrologie zu sagen, ist eigentlich unnötig, wäre da nicht der fatale Irrtum der Astronomie, der zur Verwechslung der Muse Urania mit dem Schöpfergott Uranus führte, und der einem in der modernen Astrologie angewandten archetypischen Prinzip falsche Voraussetzungen verschaffte.

Forschungsgeschichte und Entdeckungshoroskop

Jede Entdeckung eines neuen Planeten entspricht einem besonderen Bewusstseinszustand - dies hat 1971 der Planetoid Chiron gezeigt - die mit dem allgemeinen Interesse an der Psychotherapie zusammenfiel: Es wird im Außen nie etwas entdeckt, wofür das Bewusstsein noch nicht erwacht ist. Erst was dem Bewusstsein klar und deutlich ist, ist akut wirksam. Solange gewisse Zusammenhänge ungewusst sind, sind sie nur als Latenzen gegenwärtig. [3] Für den am Vorabend der Französischen Revolution, am 13. März 1781, mit einem Fernrohr entdeckten Planeten Uranus, schlugen die englischen Gelehrten zuerst den Namen Georgium Sidus vor; zu Ehren des englischen Königs Georg III. Die konkurrierenden Franzosen bevorzugten als Bezeichnung den Namen des Entdeckers, des Musikers und Astronomen Wilhelm Herschel. Schließlich einigte man sich auf den Vorschlag des deutschen Astronomen Johann Elert Bode, in Anlehnung an die Muse Urania, den neuen Planeten auf den Namen Uranus zu taufen. [4] Die Gründe, die Bode zu dieser Namenswahl führten, sind wenig einleuchtend und mythologisch schwach. In Unkenntnis der wirklichen Taufpatin Urania, erläutern moderne Astrologen diese Namensgebung häufig im Hinblick auf eine patrilineare Generationsfolge: Uranus war der Vater des Kronos (lat. Saturn), der Planet Uranus wurde jenseits des Saturn gesichtet; Kronos war der Vater des Zeus (lat. Jupiter), Saturn kreist jenseits der Jupiterbahn um die Sonne. [5]

Der traditionellen astrologischen Diktion verpflichtet, stellt Jeff Jawer die Entdeckung des Planeten Uranus in den historischen Kontext des ausgehenden 18. Jahrhunderts mit seinen bahnbrechenden Entdeckungen, wissenschaftlichen Erfindungen und ideologischen und politischen Umwälzungen und Revolutionen in Europa und Amerika: [6] Hierbei bezeichnet Uranus geistige Wenden, wissenschaftliche Entdeckungen, künstlerische Stilumbrüche, sittliche und erzieherische Reformen, technische und politische Umwälzungen. [7] Im Entdeckungshoroskop von Uranus steht eine Fische-Sonne im Fokus eines veränderlichen T-Quadrates. Eine Saturn-Mars-Konjunktion (Schütze) in Opposition zu Uranus (Zwillinge) wirkt über Quadrate auf die Sonne in den Fischen. Häufig neigen Mars-Saturn-Verbindungen dazu, einmal Begonnenes mit verbissener Energie zu Ende bringen zu wollen, verursachen so ein Energiepotential, das am Widerstand wächst. Dabei entsteht dann ein Wille, der sich rücksichtslos und unvernünftig Bahn bricht. Der überlieferte Streit um die Benennung des neu entdeckten Planeten mag als Bild diese Konstellation spiegeln. Sie fand außerdem im Schützen statt, was auf blinde Begeisterungsfähigkeit und dogmatisch-missionarische Glaubensvorstellungen hinweisen kann. Die rahmensprengende Uranus-Opposition, Autoritätskonflikte und ein grenzenloses Freiheitsbedürfnis, heizen diese Konstellation zusätzlich an. Insbesondere die Spannung der verschiedenen Quadrate, die auf die Sonne wirken, lassen sich als Konflikte mit Grenzen und Abgrenzung auffassen, als Angst vor Veränderung durch Grenzüberschreitung (Sonne-Saturn), als Zwiespalt zwischen Handlungsorientierung und Ziel (Mars-Sonne) oder als unberechenbares, übertriebenes Unabhängigkeitsstreben (Sonne-Uranus). Mars und Saturn werfen grelle Schlaglichter auf den Diskurs um die Benennung des neuen Planeten. Diese Aspekte repräsentieren aber nicht allein die Auseinandersetzungen der Gelehrten in bezug auf die Namensgebung, sie künden vielmehr von der prominentesten Geistesströmung der damaligen Zeit, die sich kurz darauf in den großen Revolutionen in Frankreich und Amerika Bahn brach. Drei Quadrate lenken diese Dynamik auf die an Spiritualität und Erlösung interessierte, altruistische und aus der Enge des Leibes nach Transzendenz strebende Fische-Sonne. Eine mitunter heftige Spannung zwischen Normerfüllung, Unterordnung unter bestehende Autoritäten (Saturn) sowie Befreiung und Entgrenzung (Uranus) kann die Folge sein, die der an Sensibilität und Verschmelzung mit den Normen einer ständischen Gemeinschaft orientierten Fische-Sonne wenig Spielraum lässt. Das wachsende Bedürfnis nach politischer Freiheit und Gleichheit, nach Rede- und Meinungsfreiheit sowie nach einem Intellektualismus jeglicher Couleur (Uranus in Zwillinge), legt am Ende des 18. Jahrhunderts mit den Werten der Französischen Revolution - Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit - die Basis moderner Vorstellungen von Demokratie und Menschenrecht. Im weiteren werde ich zeigen, dass diese Werte den mythologischen Charakter des Menschenfreunds Prometheus repräsentieren. Die wahrscheinlich voreilige Benennung des Planeten Uranus ist vor diesem Hintergrund verständlich, bedenkt man die im März 1781 neptunisch verschleierte, im Sperrfeuer harter Quadrate sich kaum adäquat artikulierbare, mehr zu intuitivem, statt zu konsequent aktivem Handeln neigenden Fische-Sonne. Unter diesen Voraussetzungen ist es nicht besonders erstaunlich, dass die symbolische Bedeutung der von Wilhelm Herschel gemachten Entdeckung zwar spontan gefällt, allerdings wie in Richard Tarnas Buch Uranus und Prometheus diskutiert, [7] mit einem falschen archetypischen Prinzip verknüpft wurde.

Wie von Astronomen nicht anders zu erwarten, und wie bei einem eben erst entdeckten Planeten auch schwer möglich, ignorierten die an der Namensgebung beteiligten Astronomen die Korrelationen zwischen Planetenkonstellation (Makrokosmos) und entsprechenden Ereignissen im menschlichem Leben (Mikrokosmos), die auf den seit Jahrtausenden empirisch ausgewerteten Erfahrungen und Beobachtungen beruhen, auf denen die Astrologie basiert. Besser wissen mussten es allerdings die Astrologen. Zu unkritisch und überstürzt übernahmen sie den von Astronomen ausgewählten Namen, obwohl sich die symbolischen Entsprechungen, die auf den zunehmenden Erfahrungen mit dem neuen Planeten beruhten, erheblich vom Archetypus Uranus, wie ihn die griechische Mythologie darstellt, abweichen. Das symbolische Bedeutungsspektrum hat sich seitdem weiterentwickelt, der Name Uranus dagegen wurde beibehalten.

In seiner Studie trägt Richard Tarnas überzeugende Gründe für den Fehlgriff bei der Wahl des Planetennamens Uranus vor. [8] Angesichts der Verankerung des Planetennamen Uranus in Astronomie und Astrologie erscheinen seine Bemerkungen provokant und ketzerisch. Trotzdem sind seine Argumente gut gegründet und vernünftig formuliert. Sie basieren vor allem auf der These, dass zwischen dem astrologischen Prinzip Uranus und dem Ouranos der griechischen Mythologie so gut wie keine Korrespondenzen bestehen. [9] Dem in griechischer Mythologie bewanderten Astrologen fällt es nicht schwer, den Einwänden von Richard Tarnas zu folgen, zeigt doch schon der kurze Blick auf das Entdeckungshoroskops, dass hier nichts für den Vater der Titanen, vielmehr alles für seinen Enkel, spricht. In ihrem Buch Uranus im Horoskop erwähnt Liz Greene die kritischen Anmerkungen von Richard Tarnas beiläufig, lobt aber seine Argumentation als ausgezeichnet und empfiehlt als nützlich, sich dem Uranus über die Gestalt des Prometheus anzunähern. [10] Ihre weitere Uranus-Darstellung fällt allerdings hinter die Kritik von Tarnas zurück, da sie wesentliche Stationen der Prometheus-Mythologie – den Raub des Feuers und die Vision vom Potential des Menschen beispielsweise – für Uranus reklamiert. Ihr die personalen Grenzen der beiden Titanen verwischendes Resümee lautet dann auch: Aus ihnen können wir ein Gefühl für das eigentliche Wesen des Uranus entwickeln. Uranus erkennt diese Möglichkeiten, weil er weiß, wie das kosmische System funktioniert. Es ist kein »mediales« Vorherwissen. Die »Vorausschau« des Prometheus entspricht genau ihrem Namen: Sie ist die Fähigkeit, vorauszuschauen. Sie ist eher visionär als hellseherisch oder instinktiv. [11] In dieser Sicht verschlingt Uranus seinen Enkel Prometheus, so dass dieser zu einem Teil von jenem wird; zu einem uranischen Geist, ohne eigenständige Relevanz. Die prometheische Vision vom unentfalteten Potential des Menschen wird zu einem Teil des uranischen Wirkens. Für Liz Greene ist es Uranus, der die Dinge klar sieht und erkennt, und aufgrund seines Wissens die kosmische Evolution vorausschauend in sein Handeln einbezieht. [12] Der Versuch, Prometheus Uranus einzuverleiben, kann nicht unwidersprochen bleiben, löst er doch keinesfalls das Dilemma einer Fehlbenennung. Den Argumenten von Richard Tarnas ist kaum etwas hinzuzufügen, erörtern sie doch unmissverständlich, was vor dem Hintergrund des aktuellen Forschungsstandes über die astrologische Signatur Uranus gesagt werden muss. Dennoch lohnt es sich - ganz im Sinne eines prometheischen Impulses - über Tarnas ́ Einwände hinaus zu denken, um im Vergleich der Mythologeme Gestalt und Wesen von Ouranos und Prometheus deutlicher zu fassen, um ihre Eigenschaften auf archetypischer Grundlage exakter zu definieren. Die folgende Argumentation ist diesem Vorhaben gewidmet. Erst genauer geeichte Kriterien ermöglichen es, die elfte Ur-Energie als PROMETHEUS für die astrologische Forschung neu zu verstehen.

Uranus in der griechischen Mythologie

Keine Kultur der Welt kommt ohne Kosmogonie, dass heißt ohne eine Vorstellung davon aus, wie die Welt entstanden ist. Anders als die christliche Kosmogonie, in der ein einsamer Gott das Universum creatio ex nihilo entstehen lässt, stimmen alle anderen darin überein, daß am Anfang ein Chaos herrschte, ein chaotisch mannigfaltiger Urzustand, dessen unbegrenzte Potentialität sich erst allmählich in Verschiedenes und Unterscheidbares individuierte. [13]

Die griechische Kosmogonie unterscheidet drei verschiedene Individuationsordnungen – die pelasgische, die orphische und die olympische. Die jüngste, die olympische, berichtet, dass irgendwann inmitten dieses Chaos Gaia, die Erde, entstand. Aber zuallererst, so erzählt Hesiod, wahrlich entstand das Chaos, [14] und in diesem Chaos gebar die breitbrüstige Gaia ohne Begattung, aus sich selbst heraus, Ouranos. Hesiod schildert in Theogonie genauer, wie sich Ouranos aus Gaia erhob:

Gaia aber erzeugte als ersten, ihr selbst gleich,
den sternenreichen Uranus, damit er sie ganz umhülle (und)
damit er den seligen Göttern für immer der nicht wankende Sitz sei
. [15]

Ouranos, der Sohn der Gaia und ihr erster Liebhaber und Gatte, lag in Urzeiten so dicht auf der Erde, dass niemand genau wusste, wo Gaia anfing und Ouranos aufhörte. Aus dieser Umarmung entfaltete sich ein unaufhörlicher Zeugungs- und Gebärprozess, den Hesiod und später Apollodor überliefert haben:

Uranos (der Himmel) war der erste Beherrscher der ganzen Welt. Nach seiner Vermählung mit Gaia (der Erde) zeugte er zuerst die Hekatoncheiren (Hunderthände) Briareos, Gyes und Kottos, ungeheuer große und starke Riesen, je mit hundert Händen und fünfzig Köpfen. Nach diesen gebar ihm Gaia die Kyklopen, von welchen jeder nur ein Auge mitten auf der Stirn hatte. Diese letzteren fesselte Uranos und warf sie in den Tartaros, einen finsteren Ort im Hades (der Unterwelt), der ebensoweit von der Erde, als diese vom Himmel entfernt ist. Wiederum zeugte er mit Gaia Söhne, die sogenannten Titanen, Okeanos, Koios, Hyperion, Krios, Iapetos und den jüngsten von allen: Kronos; und Töchter, die sogenannten Titaniden: Tethys, Rhea, Themis, Phoibe, Mnemosyne, Theia. [16]

In einer Orgie von Fruchtbarkeit, Zeugung und Entbindung entstanden die Berge und Meere, betraten die Titanen die Erdoberfläche, erschienen Monster von unglaublicher Hässlichkeit, die Einäugigen und die Hunderthändigen, wütende Dämonen, deren Wildheit die Allmacht seines in reglosem Leuchten verharrenden Meditierens brutal bedrohte. Darauf schuf er selbst den Fluch des Hasses, der ein Fluch des Nichtsehenwollens ist; [17] in wildem Zeugungstaumel stieß er seine Kinder immer wieder in den Schoß der Erde zurück, der die Liebesumarmung nicht länger Lust, sondern Schmerzen bereitete. Ouranos ließ aber nicht davon ab, seine Gemahlin und Mutter zu schwängern, und immer wieder stieß er die entstehenden Geschöpfe dabei in den Bauch der Erde zurück. Um Ouranos in seiner sinn- und maßlosen Zeugung Einhalt zu gebieten, schuf Gaia die scharfzahnige Sichel, mit der Kronos, der jüngste der Titanen, seinem Vater und Halbbruder schließlich die Genitalien abschnitt, um seiner rasenden Zeugungslust ein Ende zu bereiten:

Es kam nun die Nacht herbeiführend, der große Uranos. Er breitete
sich rings um Gaia in Liebesverlangen aus und spannte sich
überall aus. Der Sohn aber streckte aus seinem Versteck die linke
Hand aus, nahm mit der rechten die riesige Sichel,
die lange, scharfzahnige, und schnitt die Geschlechtsteile seines Vaters
eilends ab
. [18]

Damit war die Trennung von Himmel und Erde vollzogen, der Himmel entfernte sich in seine heutige Position und ließ die Erde weit unter sich zurück. Aus dem ewigen Jetzt erhob sich die Zeit, K(Ch)ronos. Läge es an Ouranos, er würde sich erneut auf Gaia herabsenken, um der Zeit ein weiteres Mal ein Ende zu bereiten. Mit zunehmender Entfernung versiegte Ouranos Zeugungskraft erst allmählich, und weiterer Schrecken erblickte das Licht der Welt: Gaia nahm das Blut der Wunde auf, wurde erneut schwanger, und brachte die Erynnien und Giganten hervor. [19] Vom Festland wurde das abgetrennte Glied des Ouranos ins Meer geworfen, und dort lange Zeit umhergetragen, die Geburt der letzten Tochter des Himmels – und der ersten olympischen Göttin - vorbereitend:

Um sie entstand weißer Schaum von dem unsterblichen Fleisch. In diesem entwickelte sich
ein Mädchen ... Aphrodite (d.i. die Schaumgeborene)
[und Schaumgeborene und wohlbekränzte Kythera]
nennen Götter und Menschen sie ...
und Geschlechtsteilliebende, weil sie aus Geschlechtsteilen hervorgegangen ist
. [20]

Der mythische Ouranos ist der Etymologie seines Namens entsprechend der Himmel, dem Hesiod das erläuternde Epitheton sternenreich verleiht. Er ist aber nicht der Himmel im Sinne der unendlichen Tiefe des Raumes, Ouranos ist vielmehr die Oberfläche, das Firmament als umhüllende Umgrenzung, an dem die Sterne aufgehängt sind. Jenseits dieser Hülle liegt die wasserähnliche, geistige Welt, weshalb der Himmel blau ist: Wasser kann dabei als Metapher für die Lebendigkeit und Bewegtheit, für die Fülle und befruchtende Kraft der geistigen Welt stehen, [21] der Ouranos seine gewaltige Zeugungsfähigkeit entnimmt. In der Mythologie der vedischen Arya gilt Varunah als der Förderer der Fruchtbarkeit und des Wachstums und als Herr über das Wasser. Die Namen Ouranos und Varunah gehen auf die gemeinsame indoeuropäische Wurzel *wer-/*wor-, umgrenzen, umhüllen, zurück. Ein schwer verständlicher Beiname des Ouranos lautet Akmonides, Sohn des Akmon; açman könnte auf der einen Seite unermüdlich bedeuten, vielleicht ein Hinweis auf die gewaltige Zeugungskraft des urzeitlichen Himmels; andererseits wird er aber auch mit einem Wort des Altpersischen in der Bedeutung von Stein in Zusammenhang gebracht, ein Hinweis vielleicht auf die Härte der Umhüllung der Erde. [22] Die alten Griechen stellten sich den Himmel nämlich auch materiell, aus Eisen oder Bronze gefertigt, vor.

Das erste Paar der griechischen Kosmogonie sind Himmel und Erde, personifiziert in Gaia und Ouranos. Die Vereinigung der Erde mit dem Himmel, aus deren geschlechtlicher Verbindung der ganze Kosmos entsteht, ist ein in Ackerbaukulturen weit verbreitetes kosmogonisches Motiv. Die sexuelle Beziehung des Himmels mit der Erde, die alles hervorbringt, bezieht sich als religiöses Konzept auf das Bild des die Erde befruchtenden, himmlischen Regens. Von Ouranos wird nämlich auch folgendes berichtet: Als er den Blick über seine Mutter schweifen ließ, ging ihm ihre Schönheit so nahe, dass er Tränen vergoss, die als fruchtbarer Regen auf sie niederfielen, so dass Flüsse, Meere, Blumen, Bäume und Tiere entstanden.

Gaia, doch vor allem Ouranos, leiten als erste unterscheidbare Individualitäten eine neue Schöpfung ein. Beide sind in der ersten Phase dieser kosmischen Individuation noch nicht vollständig voneinander getrennt, da Gaia nicht ohne Ouranos, dieser nicht ohne jene existieren kann: Die trockene Erde wird nur durch den lebenspendenden Regen / Samen des Himmels fruchtbar. Die mythische Hochzeit von Himmel und Erde (hieros gamos) ist Symbol eines anthropomorphen Kosmos, einer Weltanschauung also, in der der eigene Lebensraum zum Ort des Schöpfungsgeschehens wird – und somit zum Zentrum des Kosmos. [23]

Prometheus in Mythologie und antiker Literatur [24]

Prometheus ist der vornehmste Heilige und
Märtyrer im philosophischen Kalender
.
Karl Marx

Neben Asklepios und Herakles gehört Prometheus zu den philantropischen Göttern der griechischen Mythologie, die sich ungebührlich dem menschlichen Schicksal verschrieben haben. Reinhard Falter nennt sie die Menschenfreundlichen, deren Mythologem von der Bevorzugung des Menschen vor den Göttern handelt. [25] Eigentlich ist Prometheus gar kein Gott im Sinne des von Zeus geführten olympischen Pantheons. Er ist als Gott zwar eine erdbestimmende Macht, [26] gehört aber nicht der außermenschlichen Sphäre des Olymps an: Er ist ein Titan und somit ein direkter Nachfahre von Ouranos.

In der Theogonie überliefert Hesiod die Genealogie des Titanensohnes Prometheus: Der Vater des Prometheus ist Iapetos, einer der Söhne von Ouranos und Gaia. Mit der Okeanide Klymene zeugte Iapetos vier Söhne, nämlich Atlas, Menoitios, Prometheus und Epimetheus. Hesiod erzählt:

Iapetos führte die schön füßige Okeanostochter
Klymene heim und bestieg mit ihr das gemeinsame Lager.
Sie gebar ihm Atlas, einen unerschrockenen Knaben.
Sie gebar ihm auch den hochberühmten Menoitios und den Prometheus,
den verschlagenen und listigen, und den fehldenkenden Epimetheus,
der von Anfang an ein Übel war für den arbeitssamen Menschen
. [27]

Diese Zeilen, die Prometheus durch das Epitheton verschlagen und listig charakterisieren, sind ein erster Hinweis auf das durch Verstand und Denken gekennzeichnete Wesen des Titanen. Die mythischen Erzählungen, die um Gestalt und Wirken des Prometheus kreisen, entfalten ihr Thema in fünf Episoden: der Trennung der Menschen von den Göttern, dem Opfertrug, dem Diebstahl des Feuers, dem Auftreten der Pandora mit ihrer Büchse sowie der Bestrafung und Befreiung des Ouranos-Enkels.

In der Theogonie beginnt Hesiod den Bericht von den Taten des Prometheus zu der Zeit als sich die Götter und sterblichen Menschen trennten zu Mekone (Vers 535-536). [28] Bei Kallimachos von Kyrene (350-240 v.Chr.) steht Mekone in einem Zusammenhang, der an das Idafeld, den Wohnsitz der Asen (Asgard), in der altnordischen Mythologie erinnert, wo die Götter mit goldenen Bällen oder Tafeln weissagten:

Die Asen einen sich auf dem Idafelde ( ... )
Da werden sich wieder die wundersamen
Goldenen Bälle im Grase finden,
Die in Urzeiten die Asen hatten,
Der Fürst der Götter und Fiölnirs Geschlecht
. [29]

Kallimachos schreibt über die Olympier um Zeus:

Mekone, der Seligen Sitz, wiederzusehen,
wo sie Lose warfen und die Ehren verteilten,
die Götter, gleich nach dem Kampf mit den Giganten
. [30]

Mit dem Ende des Goldenen Zeitalters, in dem Götter und Menschen, die damals als reine Geister [31] auf der Erde wirkten, noch in Gemeinschaft lebten, speisten beide nicht mehr gemeinsam – die Nahrung musste folglich geteilt werden. Opfern und Essen des Opfers gehörten zum Ritual und ermöglichten den Göttern – auch nach der Trennung - weiter am menschlichen Leben teilzunehmen. Das Opfermahl bewahrt die Erinnerung an die Gemeinschaft des Goldenen Zeitalters, und stellt einen Akt der religio (der Rückbindung) dar. [32]

Einst wurde bei der Opferung der Stiere zu Ehren des Zeus die Hälfte des Tieres verbrannt, die andere unter die Opfernden verteilt. Damals, erzählt der Mythos, häufte Prometheus Fett und Knochen eines Opferstieres aufeinander und bedeckte sie mit der Haut. Unter einer anderen Haut verbarg er das schmackhafte, gute Muskelfleisch. Beide Bündel bot Prometheus Zeus zur Wahl an. [33] Von Homer wissen wir, dass die Griechen die Knochen der Verstorbenen sammelten, um diese wiederzubeleben. In der Ilias verlangt Achilleus von den Achäern:

Sammeln wir Patroklos ́ Totengebein, des Menoitiossohnes,
Sorgsam sondernd – es ist gewiß sehr leicht zu erkennen -,
Denn er lag in der Mitte der Glut, und die anderen verbrannten
Abseits am Rande, die Männer und Rosse gemischt durcheinander.
Jetzt nun laßt uns in goldener Urne und doppelter Fetthaut
Bergen, bis daß ich dann selbst im Reiche des Hades verschwinde
.[34]

Aus dieser Perspektive betrachtet, stellt der sogenannte Opfertrug des Prometheus in erster Linie eine innovative, kulturstiftende Tat dar, die den Versuch unternimmt, die für den Menschen schmerzliche Trennung von den Götter zu überwinden, da Prometheus die Bevorzugung der Fleischnahrung als religiöse Handlung zu Ehren der Götter einführte. Seine Erfindung besitzt jedoch ein doppeltes Gesicht: Durch seine Tat, die ja eher den Menschen als den Göttern diente, wurde der unvergängliche Ratschlüsse wissende Zeus tatsächlich überlistet: Mit der Tat des Prometheus ist offensichtlich etwas Neues in die Welt gekommen. Denn durch den Opfertrug des Prometheus wird Zeus mit einer neuartigen Situation konfrontiert. Das vordem gemeinschaftliche Rind wird in zwei Teile geteilt, die in einem Gegensatz zueinander stehen: ein ansehnlicher und ein unansehnlicher Teil. Dabei kommt eine neue Dimension des Denkens ins Spiel: das scheinbar Ansehnliche ist in Wirklichkeit das Wertlose, und umgekehrt. Ein Gegensatz von innen und außen ist durch Prometheus in die Welt gekommen. [35] Diesem neuartigen, prometheischen Denken ist Zeus offenbar nicht sofort gewachsen. Die frühen Griechen, deren Vorstellungen und Überzeugungen die olympischen Götter entsprangen, bezeichneten das, was wir heute Denken nennen, als noos (beziehungsweise noein, denken). Nun ist dieser noos des Zeus nicht mit dem modernen, kausal-analytischen Denken vergleichbar, sondern meint eher das Erkennen einer Situation, ein sich offenbarendes Durchschauen, dem als Konsequenz die beabsichtigte Planung einer Handlung folgt - körperliche Wahrnehmung und geistige Verarbeitung sind im noos noch nicht getrennt, sondern gewährleisten die Überschau über eine Gesamtsituation, die unmittelbar aus dem Handeln fließt. Der vermeintliche Opfertrug des Prometheus hängt also mit der Unfähigkeit von Zeus zusammen, dem neuen mentalen Paradigma, das Prometheus in den Diskurs zwischen Göttern und Menschen einführte, zu folgen: Prometheus beabsichtigt nicht, die Götter zu betrügen, ihm geht es vielmehr darum, für den von Zeus in die Vereinzelung gestoßenen Menschen eine Kompensation zu erreichen.

Als Reaktion auf den Opfertrug durch Prometheus entzieht Zeus den Menschen das Feuer, sodass sie ihre Nahrung nicht mehr zubereiten können und in den Zustand wilder Tiere zurückfallen. Diese Deutung ist aber genau so trivial wie die oben kritisierte Auffassung, dass Prometheus Zeus mit der Wahl des Opfers betrügen wollte.
Gaston Bachelard beschreibt das Feuer als ein Symbol für alles, was sich rasch wandelt und als Ausdruck des Wunsches, die Dinge voranzutreiben, die Zeit zu verbrennen, also als Sinnbild des Lebens selbst, dessen Wesen Werden und Vergehen ist: Es lassen sich sehr viele Arten von Feuer unterscheiden, mildes Feuer, tückisches Feuer, rebellisches Feuer, gewalttätiges Feuer, indem man es jeweils nach der psychischen Ausgangslage der Wünsche und Leidenschaften bestimmt. [36]
Seit alters her verehren die Menschen das Feuer als eine göttliche Kraft, als Symbol der Lebenskraft, des Willens zur Entfaltung im Gegensatz zum passiven Empfangen, als den göttlichen Funken, der den Menschen inspiriert. Feuer symbolisiert die männliche Kraft, die dazu antreibt zu leben, die Entwicklung inspiriert. Im Tarot symbolisieren Haltung und Stab des Magiers diese phallische Kraft, aufbauend und kreativ, zerstörerisch und destruktiv. Der Stab des Magiers repräsentiert die Idee der Kraft, des Männlichen und des Feuers. Feuer verwandelt Materie und Geist. Licht und Wärme sind die wohltuenden, Verbrennen und Verglühen die zerstörerischen Seiten des Feuers – Prometheus oder Luzifer, die das Feuer stahlen, um es auf die finstere und kalte Welt zu bringen, sind die Protagonisten der bedeutendsten Feuermythen. Sie gleichen dem Magier des Tarot, sind Ich-Bringer und Entwicklungshelfer des menschlichen Bewusstsein: Ich bin! Ich will! All das drückt die Haltung des Magiers aus. Ein Mensch, ein Mann, der sich seiner selbst bewußt geworden ist, der erkannt hat, daß er in der Welt etwas vollbringen kann und daß ihm dazu die nötigen Werkzeuge und Instrumente zur Verfügung stehen. [37]
Im alchemistischen Prozess – im Zauberkessel des Märchens- verwandelt das Feuer alle Dinge in einem bedrohlichen, chaotischen und destruktiven Prozess, und gibt ihnen damit eine neue Richtung. In der Seele weckt das Feuer Wut, Leidenschaft und intensive Gefühle. Feuer symbolisiert des Gute (als Wärme) und das Böse (als Verbrennen), es erstrahlt im Paradies als Licht und brennt in der Hölle als Brand der Apokalypse. [38] Häufig wird psychische Energie (Libido) durch Feuer und Licht dargestellt. [39]
In der indischen Mythologie ist der vedische Gott Agni das irdische Licht und das himmlische Feuer. Als philantropischer Gott, wie Prometheus, schenkt er den Menschen das Feuer, als böser Gott ist er für Dürre, Zerstörung und Tod verantwortlich. Feuer, so meint auch Karl-Martin Dietz, nimmt eine Zwischenstellung zwischen der sinnlichen und der übersinnlichen Welt ein, indem es beiden Bereichen angehört (...). Durch seine Doppelnatur kann das Feuer eine wichtige Rolle beim Übergang von einem Weltbereich zum anderen spielen oder, um mit Hesiod zu sprechen: bei der Scheidung von Göttern und Menschen, [40] die in vielen Kulturen für einen Moment durch das Brandopfer wieder aufgehoben wird.

In Hesiods Werke und Tage erfahren wir dann, wie sich der Konflikt zwischen Zeus und Prometheus im Raub des Feuers zuspitzt. Das Feuer, so wird erzählt, raubte Prometheus eines Morgens dem Helios als dieser mit seinem Sonnenwagen den Olymp verließ:

Und er verbarg das Feuer; das wiederum stahl für die Menschen
Iapetos` wackerer Sproß dem Zeus, dem planenden Walter,
Innen im Mark des Narthex, vor Zeus, dem Blitz-Herrn, verborgen
. [41]

Prometheus entwendete der Sonne das Feuer in einem hohlen Narthex-Rohr (dem Riesenfenchel, Ferula communis, griech. narthex). Manfred Krüger hat darauf hingewiesen, dass der Riesenfenchel auch im Dionysoskult, und zwar als Thyrsos-Stab der Bacchanten, verwendet wird, wo er im engen Zusammenhang mit dem Prozess der Ich-Werdung (Individuation) steht. [42] Im Prometheus-Mythos taucht der Riesenfenchel in ähnlicher Bedeutung auf, verweist er doch auf den mit dem Feuerdiebstahl verbundenen Charakter des Prometheus als Ich-Bringer, auf das Ich Bin! Ich will! des Magiers im Tarot. Ein zweites Mal bedient sich Prometheus, Kulturheros der abendländischen Kultur, des neuen Prinzips, des Gegensatzes von innen und außen: Dank seiner Tat ist das himmlische Feuer nun bei den Menschen.
Zweimal getäuscht, beschließen daraufhin Zeus und die Olympier, die Menschen und Prometheus so zu bestrafen, dass ihnen die neue Fähigkeit des prometheischen Denkens ohne Nutzen bleibt. Da sie den Feuerraub nicht mehr rückgängig machen können, beschließen sie ihrerseits etwas auf die Erde zu schicken, das dem Menschen die Freude an der prometheischen Innovation verderben soll. Mit Hilfe von Hephaistos und Athena schickt Zeus Pandora, ein Paradoxon, das Hesiod in Werke und Tage als schönes Übel bezeichnet. Gegen Pandora findet Prometheus kein Gegenmittel. Pandora, deren Name die Allbeschenkte lautet, der von Hephaistos geschaffenen Frau, schenkte jeder der Olympier eine betörende Gabe. Äußerlich betrachtet ist Pandora mit aller Schönheit ausgestattet, sodass sie quälende Sehnsucht und gliederverzehrendes Herzweh (Vers 66) auslöst, mit sich aber führt sie Leid und Zerstörung – es brachte ihr Sinn viel Unheil den Menschen (Vers 95) schreibt Hesiod. Im Inneren, so Hesiod weiter, besitzt sie scharwenzelnden Sinn und verschlagene Artung (Vers 67). In einem verschlossenen Tongefäß führte sie alle Übel und Krankheiten mit sich. Zeus hat inzwischen nämlich die Innovation des Prometheus, mit der dieser ihn schon zweimal getäuscht hatte, begriffen - den Widerspruch zwischen innen und außen - und setzt ihn nun erfolgreich gegen die Menschen ein. Die Trennung der Götter und Menschen ereignete sich am Ende des Goldenen Zeitalters, das so mit den Taten des Prometheus verbunden bleibt. Liz Greene vergleicht den Diebstahl des Feuers mit dem Sündenfall der biblischen Schöpfungsgeschichte, denn dieser Raub ist schuld daran, dass die Menschheit durch Pandora mit Jammer und Sterblichkeit geplagt ist: In der griechischen Prometheus-Gestalt sah Nietzsche, schreibt sie, verwegene Respektlosigkeit und eine mutige Leistung, die die eifersüchtigen Götter herausforderte. Doch wie Adam und Eva verweigerte auch der Titan den Gehorsam, er und die Menschheit wurden bestraft, und das paradiesisch schöne goldene Zeitalter, in dem die Menschen einst Frieden und Überfluß hatten, löste sich in der Rohheit des eisernen Zeitalters auf. [43]

Um ihre Strafaktion durchzuführen, bedienen die Olympier sich der unfreiwilligen Hilfe von Prometheus jüngerem Bruder. Zeus beauftragte nämlich Hermes, Pandora und ihre Büchse zu Epimetheus zu bringen. Obwohl der vorauswissende Prometheus die Menschen warnte, [44] nichts von Zeus anzunehmen, sondern dessen Geschenke zurückzugeben (Werke und Tage, Vers 86-87), erliegt Epimetheus dem verführerischen Äußeren der Pandora und bringt so das Übel in die Welt. Wie Zeus sich von dem duftenden Fett und den Knochen täuschen ließ, so irrte sich Epimetheus über das Innere der Pandora. Dabei ist Epimetheus keineswegs dumm, seine Intelligenz ist nur von anderer Art; [45] und bei Hesiod ist zu lesen: Er nahm sie an, doch als er das Übel besaß, da bemerkt` ́er´s (Vers 88). Anders als Prometheus, dessen Name der Vorausschauende ist, weiß Epimetheus erst hinterher; auch sein Name ist ein sprechender und bedeutet der im Nachhinein Bedenkende. Beider Brüder Name ist Programm. Epimetheus, der nicht das intuitiv-bewegliche Denken seines Bruders hat, denkt nicht eigenständig. Er hält sich weder an den Rat seines Bruders, noch besitzt er dessen Übersicht über sein Handeln. Epimetheus stellt den Zusammenhang seines Denkens und Handelns mit der Wirklichkeit erst im Nachhinein her, kann Zukunft in seinem Tun nicht antizipieren. Mit seinem rational-analytischen Denken kann Epimetheus ungewollte Folgen seines Handelns nur hinterher erkennen und untersuchen – er kann sie nicht vermeiden. Epimetheus repräsentiert das wissenschaftliche Denken, das erst ökologische oder soziale Katastrophen benötigt, um Fehler einsehen zu können. Das Denken des Prometheus kennzeichnet dagegen Qualitäten wie ausdenkend, ersinnend, erfindend. Er ist den Göttern und der Umwelt gegenüber selbständig, und begegnet Problemen schon, bevor sie aufgetreten sind: Prometheisches Denken kennt daher keine Probleme, sondern nur Lösungen.
Prometheus ist nicht nur der Erfinder der Rückbindung an die Götter, also des religiösen Kultes, er ist auch der Schöpfer der mit dem Feuer verbundenen Techniken, ohne dass er sich den Illusionen des technischen Fortschritts hingibt. Er weiß, daß er das Los der Menschen nicht ändern kann. Sein Geschenk an sie ist die Hoffnung, man könnte auch sagen:die Idee des Fortschritts. [46] Denn bevor das Tonfass der Pandora vollständig geleert werden konnte, verschloss Zeus den Deckel und einzig die Hoffnung blieb da in unzerstörbarer Wohnstatt innen unter dem Rande des Krugs, und flog nicht ins Freie auf und davon. [47] Sie blieb den Menschen verfügbar, und ihrem Willen, die Welt zu gestalten.

Die letzte Episode des Prometheus-Mythos ist die bekannteste: Nachdem Pandora ihr Tongefäß überbracht und geleert hatte, den Menschen ihre Strafe zuteil wurde, und sie ihr Brot im Schweiße ihres Angesichtes aßen, wandte sich der Zorn des Olympiers gegen Prometheus. Für seine philantropische Parteinahme für die Menschheit und gegen die olympischen Götter veranlasste Zeus seine Bestrafung. Er beauftragte Hephaistos, ihn an die Felsen des Kaukasus zu schmieden. Im Gefesselten Prometheus schildert Aischylos die Qualen des Titanen: Lange, lange Jahre wirst du für deine Schuld büßen. Es wird dir Zeus ́ flügelwilder, mächt`ger Adler in heißer Gier zerfleischen deines Leibes großes Trümmerfeld, wird ungeladener Gast dir sein, Gast den langen Tag, um auszuweiden deiner schwarzbenagten Leber Rest. [48] Der antike Komödiendichter Eupolis (ca. 411 v.Chr.) hat das Bild des an den Felsen gefesselten Prometheus als ein Symbol für das ans Feste, Irdische geklammerte menschliche Denken aufgefass: Für ihn ist Prometheus der im Materiellen gefangene menschliche Geist schlechthin. Insbesondere ist der Gefesselte mit Eingebung (Intuition) und Vorauswissen begabt – einem intuitiven im Gegensatz zum kausal-analytischen Denken. Dem am Felsen angeschmiedeten Prometheus sind allerdings Freiheit und Handlungsmöglichkeit genommen. Die Strafe des Zeus ist umfassend, den Nachgeborenen blieb das epimetheische Denken.
Befreit wird Prometheus schließlich durch Herakles und Cheiron, die ihren eigenen Mythos haben, der hier nicht erzählt werden soll. Nach seiner Befreiung wohnt Prometheus als Ratgeber und Weissager bei den Göttern auf dem Olymp. Und das, meint Reinhard Falter, wäre von Anfang an seine Stellung gewesen. [49]

Vorauswissen und Intuition als prometheische Fähigkeiten

Richard Tarnas Einwendungen gegen die voreilige Benennung des Planeten Uranus, dies bekräftigt die vorausgehende Darstellung der beiden mythischen Protagonisten, sind berechtigt. Die Bezeichnung dieser Energie als Uranus entspricht dem Zeitgeist des 18. Jahrhundert; sie hat nichts mit dem mythologischen Ouranos zu tun, noch entspricht sie astrologischer Erfahrung. Ganz im Gegenteil: Beide weisen eindeutig auf Prometheus hin. Für ihre Legitimation und für ihr Selbstverständnis benötigt die Astrologie eine seriöse Kenntnis ihrer mythologischen Grundlagen; gleichzeitig gebührt ihr aber der Verdienst, die Überlieferung der Mythen in lebendiger Anschaulichkeit zu garantieren.

Wie Hesiod in der Theogonie berichtet, besteht Ouranos Rolle nicht darin, sich aufzulehnen und Veränderungen herbeizuführen, sondern ihnen zu widerstehen, [50] indem er den von ihm gezeugten Kreaturen Entwicklung und Selbstverwirklichung verwehrt. In nicht endender Zeugungslust befruchtet Ouranos unaufhörlich die Erde (Gaia), woraufhin diese phantastische Wesen zur Welt bringt, denen es aber nicht gelingt, sich gegen ihren Erzeuger durchzusetzen, um die Schöpfung weiterzuentwickeln. Vor den Resultaten seiner Zeugungskraft schreckt Ouranos nämlich, zutiefst entsetzt, zurück:

( ... ). Und sobald von ihnen einer geboren war.
Verbarg er sie alle und ließ sie nicht ans Licht hinauf
in einer Höhlung der Erde (Gaia). Über die schlechte Tat freute sich
Uranos. Die riesige Erde jedoch stöhnte innerlich,
weil sie immer mehr eingeengt wurde
( ... ). [51]

Erst nachdem Kronos ihm gewaltsam seine Zeugungskraft nahm, treten Ouranos Kinder ins Leben zurück. In der Mythologie versinkt Ouranos dann in der Bedeutungslosigkeit, allerdings nicht, bevor er der ersten Göttin, Aphrodite, das Leben schenkte ohne seine Gattin Gaia weiter zu belästigen. [52]
Die Bedeutung, die Prometheus für die menschliche Entwicklung hat, deutet Hesiod in seinen beiden Epen nur an. Im gefesselten Prometheus beschreibt Aischylos dagegen in unmissverständlichen Versen, was die Menschen dem prometheischen Wirken verdanken. Im Monolog seiner Tragödie heißt es nämlich:

Mein Wort soll keine Schmähung für die Menschen sein,
Daß meine Gaben gut gemeint sind, kund nur tun;
Vordem ja, wenn sie sahen, sahn sie ganz umsonst;
Vernahmen, wenn sie hörten, nichts, nein: nächtgen Traums
Wahnbildern gleich, vermengten all ihr Leben lang
Sie blindlings alles, wußten nichts vom Backsteinhaus
Mit sonngebrannten Ziegeln noch von Holzbaus Kunst
Und hausten eingegraben gleich leicht wimmelnden
Ameisen in Erdhöhlen ohne Sonnenstrahl.
Es gab kein Merkmal für sie, das des Winters Nahn
Noch blütenduftgen Frühling noch, an Früchten reich,
Den Herbst klar angab, nein, ohne Einsicht war all
Ihr Handeln, ehe nunmehr ihnen Aufgang ich
Der Sterne zeigte und schwer deutbaren Untergang.
Sodann die Zahl, den höchsten Kunstgriff geistiger Kraft,
Erfand ich für sie, der Schriftzeichen Fügung auch,
Und das Gedächtnis, musenmütterliches Werk.
Auch spannt als erster ich ins Joch mächtig Getier,
Kummer und Lasten tragend Fron zu tun, auf daß,
Den Menschen größter Arbeitsmühn Abnehmer nun
Sie würden; vor den Wagen führt ich zügelzahm
Das Roßgespann, ein Prunkstück überreicher Pracht.
Das Meer zu kreuzen, sann kein andrer aus als ich
Linnenbeflügelt Fahrzeug für das Schiffervolk.
[53]

Für Aischylos ist Prometheus ein Kulturheros und Entwicklungshelfer menschlichen Fortschritts und Kulturentwicklung. [54] Prometheus erlöst den archaischen Menschen aus seiner kosmischen Verbundenheit, oder wie Reinhard Falter es nennt, Erdverbundenheit, [55] und führt ihn in das an Ideen und Wissen gebundene Denken ein. Seine eigentliche Leistung bestand darin, die Menschheit aus dem dumpf-instinktiven Weltentraum der gedankenlosen Hellsichtigkeit in die schöpferischen Feuerfunken der Ideen und in das helle Licht des Ich-Bewusstseins geführt zu haben. Auch im astrologischen Uranus, so Haydn Paul, drückt sich die geistige und Lichtebene aus. [56] Die Gaben des Prometheus entlassen den Menschen aus der ursprünglich archaischen Struktur des Bewusstseins, in der dieser noch vollständig an die Identität mit seiner natürlichen Umgebung hingegeben war – der gänzlichen Ununterschiedenheit von Mensch und All. [57] Bei dem chinesischen Daoisten Dschuangdse findet sich die Bemerkung, die wahrhaften Menschen der früheren Zeiten schliefen traumlos, während die Seele seiner Zeitgenossen im Schlafe Verkehr pflegt. [58] Traumlosigkeit in diesem Sinne bedeutet die von Jean Gebser für den Urzustand postulierte Ungeschiedenheit von Mensch und Universum, den unproblematischen Einklang und damit die völlige Identität von innen und außen. [59] Die Schöpfungstat des prometheischen Denkens, der selbst Zeus nicht sofort gewachsen war, so überliefert der Mythos, ist die Bewusstwerdung dieses Gegensatzes von innen und außen. Mit Prometheus ist die intuitive Erleuchtung des Augenblicks in die Welt gekommen ist, nämlich jene Trennung von Wahrnehmung und Denken, die es erlaubt, sich den Gegenständen, die die Welt sind, als personal emanzipiertes Subjekt gegenüberzustellen.

Prometheus kennzeichnet die Grenze dieser Entwicklung. Einerseits fördert sein Wirken, symbolisiert im mythischen Bild des Feuerraubs, das an Gedanken gebundene Denken, andererseits knüpft das prometheische Wesen noch an die in der Hellsichtigkeit wurzelnde Voraussicht an. Dieses Vorauswissen besaßen auch Ouranos und Kronos, allerdings nur in Bezug auf ihr eigenes Schicksal, das ihnen durch ihre Söhne zugeteilt wurde. Zeus, dem Olympier fehlte diese Gabe, wie ja der Opfertrug und Feuerraub des Prometheus im Mythos belegen. Dieser Unterschied ist bedeutend, denn er weist darauf hin, dass Vorauswissen und Intuition eine Fähigkeit der Titanen war, das die Olympier nicht mit ihnen teilten, und das sich Zeus in Gestalt eines Adlers täglich aus der Leber des gefesselten Titanen borgen musste. Mit Prometheus scheint dieses Vorauswissen für Zukünftiges ihre höchste Entwicklung und gleichzeitig ihren Abschluss gefunden zu haben. Mit dem Zeus-Geschenk der Pandora und der Unachtsamkeit des Epimetheus setzte sich das kausal-analytische Denken, die analytische Intelligenz durch, die das auf intuitiver Intelligenz beruhende prometheische Denken in den Hintergrund drängte. Prometheus wurde an den Felsen geschmiedet, Epimetheus ging straffrei aus, obwohl er, wie Hesiod überliefert, von Anfang an ein Übel für den arbeitssamen Menschen war.
Wie Aischylos weiter erzählt, verdankt die Menschheit Prometheus nicht nur die bewusste, gedankengestützte Wahrnehmung und Unterscheidungsfähigkeit, die ihn aus nächtgem Traum Wahnbildern gleich, in dem sie alles Wahrgenommene blindlings miteinander vermengten, in die Welt klarer Gedanken, differenzierter Wahrnehmung und rational nachgehender Analyse führte. Prometheus, so fährt Aischylos fort, brachte der Menschheit außerdem die sesshafte Siedlungsweise, den Ackerbau und die Domestikation der Haustiere, die Kenntnis von den Jahreszeit und die Astrologie, die Navigation nach den Sternen, die Schrift sowie die Kenntnis vom Geheimnis der Zahl, genaugenommen also diejenigen Errungenschaften, die die Urgeschichte mit der neolithischen Revolution im siebten vorchristlichen Jahrtausend verbindet. [60] Und noch etwas bedeutet Prometheus für den Fortschritt menschlicher Kultur: Prometheus weiß um die Relativität der Zeus-Herrschaft, um die unabwendbare Abfolge der Epochen seit dem Goldenen Zeitalter, weiß, dass jede Ordnung, die nicht die ursprüngliche Ordnung ist, wenn nötig in der Revolte untergehen muss. Dieses Vorauswissen besaßen weder Ouranos noch sein Sohn Kronos, die beide nur ihr persönliches Schicksal voraussahen. Auch hier repräsentiert Prometheus die Revolution des Bewusstseins, die Emanzipation des Menschen, denn er sprengt mit seinen Taten, dem Opfertrug und dem Diebstahl des himmlischen Feuers, die Teilhabe am olympischen Leben und befreit die Menschheit aus ihrer Abhängigkeit numinos-religiöser Ergriffenheit. [61]

Das Feuer, das Prometheus für die Menschheit entzündete, förderte allerdings ein luziferisch gefärbtes Ich. Reinhard Falter vertritt diese Ansicht, denn er sieht in Prometheus den Patron für den ahrimanischen Aufstand der Technik. [62] Dies widerspricht nicht der Auffassung, in Prometheus eine Persönlichkeit zu sehen, die wie Goethe es formulierte, ein Teil von jener Kraft ist, die stets das Böse will und stets das Gute schafft (Faust I). Zuallererst, stimmt ihm Sigismund von Gleich zu, ist Prometheus ein luziferischer Gott und ein gewaltiger Kulturbringer. [63] Der Prometheus-Mythos, und das hat Aischylos noch gewusst, markiert die Geburtsstunde des Gedankenbewusstseins, des Ichs und der Kultur, deren Nachkommen wir sind. Nicht sein Großvater Ouranos lehnte sich gegen die Omnipotenz der olympischen Götter auf, die dem Menschen Entwicklung und Wachstum vorenthalten wollten, wie es die astrologische Theorie für Uranus angibt, sondern der Enkel Prometheus. Indem er den Göttern, ohne Rücksicht auf sich selbst, das Feuer (Intuition und Erkenntnis) stahl, wurde Prometheus, der Vorausdenkende, zum Revolutionär gegen einengende, saturnische Ordnungen und zum Begründer einer neuen Zeit. DInsofern ist es auch stimmig, dass Uranus Saturn aus dem Wassermann vertrieb. Das prometheische Wesen beruht auf Vorauswissen und Eingebung. Thomas Ring nennt die uranische Energie, ganz im Sinne des Prometheus-Mythos, umschwungbewirkend. [64] Er spricht von der geistigen Mutation, die der Prometheus-Mythos als die Entdeckung des Gegensatzes von innen und außen schildert, und der zu Innovationen und Erfindungen führt, die sich durch Spontaneität und Intuition auszeichnen, sprunghafte krisenhafte Umbrüche auslösen, und die nur allzu oft in unumkehrbaren Umstrukturierungen enden. [65] Immer dann, wenn solche Strukturen, zu individuellen Mustern erstarren, die die menschliche Entwicklung hemmen, weist die prometheische Energie durch eine Neuschöpfung von Gestalt und Formzusammenhang neue Wege. [66]

Ouranos und Prometheus unterscheiden sich radikal in ihrem Wesen. Prometheus ist ein Ich-Bringer und Menschheitspädagoge, [67] der Erwecker des menschlichen Bewusstseins und der fortschrittliche Schöpfer kultureller Güter, Techniken der Weltbemeisterung und religiöser Rückbindung. Ouranos dagegen ist der Herr des großen Schweigens und der sich entfaltenden Schau, [68] der sein Licht aus Sternenhöhen in den Schoß der Erde träufelte. Ouranos, der Himmel, vereint in Zeugungstaumel und maßloser Fruchtbarkeit mit der Erde, richtet sein Wirken und Interesse auf ewig anhaltendes, gleichförmiges Handeln, das zuletzt in Automatismen und Stillstand erstickt. Den neuen Entwicklungen, zu denen sein Handeln führt, versagt er die Berechtigung zu leben. Uranus, den Herrn der Stille, mit den seinem Schöpfungsakt entsprungenen Donnerdämonen zu versöhnen, bleibt dem Menschen vorbehalten. Die tosenden Wirbel der Welt, der Kampf der Kreatur, das Hervorstürzen und Zusammenbrechen ringender Organismen, das Brüllen der Elemente, Geburt und Zerstörung, ewige Handlung und Unrast, Sehnsucht, Überraschung, Angst und Haß in der eigenen Seele als Symphonie des Lebens brausen zu hören und zu bejahen, [69] darin liegt die Aufgabe des Kulturbringers Prometheus und (seiner Tante), der großen Liebenden, Aphrodite.

Der astrologische Uranus

Jede Idee ist unmöglich,
bis sie geboren wurde
.
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Die Mythologie des Prometheus enthält überzeugende Aspekte, die als archetypische Repräsentanz jener Energie betrachtet werden kann, die bisher mit dem astrologischen Namen Uranus verbunden wurde. In der Astrologie steht der Name Uranus für die Gelegenheit zur Veränderung, für das Abbrechen obsolet gewordener Strukturen, die in jahrzehntelanger Sozialisation durch Eltern, Lehrer und gesellschaftliche Überzeugungssysteme im Individuum angelegt wurden; hier ist er der große Gegenspieler von Kronos-Saturn. Plötzlich zugemutete Schockwirkung, Zerbrechen der biographischen Kontinuität und stürmische, intellektuelle oder geistige Prozesse sind die hervorragenden Merkmale des astrologischen Uranus. Es ist aber Prometheus, nicht der mythologische Ouranos, der wendig im Denken, und der - wie oben bereits erörtert - vor allem findig im Planen ist, wie Hesiod ihn schildert. Aischylos nennt ihn den mit einem ungeheueren Wissen, auch Vorauswissen, begabten.

Die zeitgenössische Astrologie kennt Uranus als den großen Rebellen, Freiheitskämpfer und Bilderstürmer, der radikal jede Norm bricht und alles mit eruptiver Plötzlichkeit verändert, sodass die Dinge nachher nie mehr so sind, wie zuvor. [70] Die Schlüsselworte, mit denen Astrologen die Uranus-Signatur beschreiben, lauten ganz allgemein formuliert: humanitäre Ideale, Freiheitsliebe, Toleranz, Gleichberechtigung, Menschlichkeit, Intuition, Reformen oder Originalität, die sich auch als Sonderling äußern kann. Nicht der mythologische Ouranos ist dieser Philantrop, sondern Prometheus. Um sein auf Veränderungen gerichtetes Potential wirksam einzusetzen, benötigt er – wie für den astrologischen Uranus definiert – ein Höchstmaß an individueller Freiheit und Entscheidungsmöglichkeit. Prometheus, in seiner Zuneigung zu den Menschen, nahm sich diese Freiheit, die ihn von seinesgleichen trennte, eine Freiheit, die Janis Joplin in ihrer Ballade von Bobby McGhee mit der Metapher freedom is just another word, for nothing left to loose besungen hat, und die ihm schließlich das Leberopfer und die Ketten im Kaukasus einbrachte. Saturnische Einstellungen und Verhaltensweisen, die auf Norm, Konvention und einengender Struktur beruhen, finden vor seinem Auge wenig Gnade. Erst in der Auseinandersetzung mit Saturn – im Mythos stellt sich Prometheus gegen Zeus, dem es um die Konsolidierung seiner Macht nach der Trennung von Göttern und Menschen geht - entsteht das uranische Bedürfnis nach großer Experimentierfreude und Sehnsucht nach Aufregung und Veränderung. Interessanterweise ist es auch der astrologische Uranus, der Saturn seine klassische Stellung im Wassermann streitig machte.
Aischylos beschreibt Prometheus, der als kosmischer Lehrer die Menschen ermutigte ihre eigene Freiheit, Unabhängigkeit und Individualität zu entwerfen und zu verwirklichen, mit ähnlichen Worten. Die Uranus-Aufgabe, die jedem ins Geburtshoroskop geschrieben ist, richtet sich - wie das Wirken des Prometheus - auf technische und soziale Utopien, die sich anders als bei Ouranus oder Saturn in offensivem und vorwegnehmendem Handeln ausdrücken. Im gleichen Sinne spricht Sigismund von Gleich, anthrosophischer Terminologie verpflichtet, von der Prometheus-Wesenheit als Inspirator der größten Erfindungen. [71] Prometheus verkörpert eine schöpferische Intelligenz, die als Entwicklungsimpuls aufgegriffen werden muss, will man der uranischen Energie nicht mit Plötzlichkeit und Unwägbarkeit zum Opfer fallen. Uranusbetonten Menschen geht es weniger um das Individuum; sie wenden sich - wie der Menschenfreud Prometheus - an das Kollektiv, an Gruppen, an die Gemeinschaft Gleich-Handelnder und Gleich-Gesinnter. Der Unterschied zwischen dem merkurischen Denken (als Verstand), das auf die Persönlichkeit ausgerichtet ist und einem schöpferischen und inspirierenden, prometheischen Denken (als Intuition) äußert sich in der überpersönlichen Intelligenz desjenigen, der um der Erkenntnis für das Gemeinsame wegen handelt und lebt: Spontanes Erfassen steht logischem Erschließen diametral gegenüber, ist jenem allerdings in seiner Zweckhaftigkeit verwandt. Während merkurische Persönlichkeiten sich an ökonomischem Nutzen orientieren, richten sich uranusbetonte Menschen an humanitären Idealen aus. Geistige Erkenntnis, nicht rational-analytische Folgerung, steht für sie im Mittelpunkt ihres Strebens nach persönlicher Reife.[72]
Aufmerksam betrachtet offenbart sich Uranus jedoch janusköpfig, denn er besitzt ein erlöstes und unerlöstes Antlitz: Einerseits ist Uranus das göttliche Leuchtfeuer des Geistes, das wie ein Blitz in den merkurischen Verstandesbereich einschlägt und dort Funken zündet, sodass transpersonale Zusammenhänge schlagartig erkannt werden. Andererseits ist Uranus jedoch auch die Explosion, der Zusammenstoß und die blutige Revolution, die Köpfe rollen lässt. [73] Nicht immer bewahrt Uranus den Blick für die richtige Mitte, die er, reaktionsschnell wie er ist, oft verfehlt, eine Eigenschaft die auch der Mythos schildert, da Prometheus ohne Rücksicht auf seine persönliche Niederlage, die er vorauswissend kennen müsste, den Olympiern den Kampf ansagte. In seiner unreifen Seite äußern sich überzogener Freiheitsdrang, emotionale Distanziertheit, Widerborstigkeit und unberechenbare Unabhängigkeit. In dieser Rolle gefangen, verweigert er sich aller persönlichen und sozialen Verantwortung und Verpflichtung. Und so ist seltsamerweise gerade der unerlöste Uranus der Astrologie dem Ouranos der griechischen Mythologie verwandt, den diese irrtümlich für dessen Paten hält. Frönt nicht der unerlöste, astrologische Uranus einem demonstrativen und unverbindlichem Freiheitsdrang, wie der mythologische seiner maßlosen Zeugungskraft, ohne dass einer von beiden die Verantwortung für die in die Welt gesetzten Geschöpfe anzuerkennen bereit ist, die der mythische Ouranos vergeblich versucht im Bauch der Erde (Gaia) gefangen zu halten.

Der Prometheus-Mythos berichtet von Auflehnung, Befreiung, Erweiterung der Möglichkeiten und dem Aufbrechen überkommener Strukturen, von Originalität und Individualität, und vor allem von revolutionärer gesellschaftlicher Veränderung. Aus dem Ouranos-Mythos ist von solchen Ereignissen und Eigenschaften, die laut Übereinkunft den astrologischen Uranus kennzeichnen, nichts zu erfahren. Sie stehen vielmehr in einem gewaltigen Widerspruch zum mythischen Ouranos, der im gähnenden Abgrund des Urchaos gezeugt wurde, um den Göttern ein nie wankender Sitz zu sein. Die Umwälzung der kosmischen Ordnung, die Kastration des Ouranos oder die Verbannung des Kronos auf die Inseln der Seligen, die Hesiod ebenfalls in der Theogonie beschrieben hat, war die Aufgabe der Söhne und Enkel des Stammvaters der Titanen. Mit Saturn endet die aufsteigende Reihe der Wesenskräfte, die dem Aufbau und den Normalerfordernissen der Lebensganzheit angemessen organisiert sind. [74] Mit Prometheus als dem astrologischen Uranus begegnen wir einem ganz anderen archetypischen Prinzip, das auf Eingebung, auf die Ankunft des Unerwarteten in der individuellen Biographie und dem höherem Zweck einer solchen Begegnung beruht. Uranische Energien genügen transpersonalen Anforderungen, die allerdings nicht mehr unbedingt der alltäglichen Wirklichkeit entsprechen: Zum Durchbruch kommt etwas, was außerhalb der bisherigen Grenzen ansetzt und ein «außernormales» Verhalten hervorruft. [75] Zeus und Prometheus gründeten, von einem Zeitalter zum nächsten, die neuen Ordnungen im Universum, wobei sich Zeus nur teilweise gegenüber Prometheus behaupten konnte, musste er ihm schließlich doch einen Platz auf dem Olymp einräumen.

Gemeinsam mit Pluto und Neptun gehört Uranus zu den kollektiven oder transpersonalen Planeten; [76] sie bilden kollektive und geschichtliche Tendenzen ab. [77] Ihre Bedeutung für die gesellschaftliche Entwicklung lässt sich auch mit einer Äußerung Rudolf Steiners erläutern: Sie wissen aber auch, daß wir auf eine Entwickelung der Menschheit in der Zukunft hinblicken, und daß das Ich an den drei niederen Gliedern der menschlichen Wesenheit arbeitet, so daß es diese Glieder vergeistigt, umarbeitet von der gegenwärtigen niederen in die zukünftige höhere Form. [78] Wie die transpersonalen Planeten in das menschliche Dasein hineinwirken, auch dazu finden sich in den Schriften Rudolf Steiners bemerkenswerte Äußerungen: Der Mensch kann und wird nicht so bleiben, wie er jetzt ist. Auch wie der Mensch heute mit seinem Ich an seinen niederen Gliedern arbeitet, wird es nicht immer sein, [79] vielmehr wird durch die Tätigkeit des Ich in Zukunft etwas Neues entstehen, worauf Detlef Hovers Unterscheidung in niederes Denken (Merkur) und schöpferisches Denken (Uranus) zielt. In der Astrologie fördern Uranus-Prometheus-Energien die Entwicklung von Geist und Bewusstsein, wodurch der Mensch erst in die Lage kommt, wie Rudolf Steiner es formuliert, an seinem Astralleib zu arbeiten und mit seinem Ich diesen Astralleib in Geistselbst oder Manas umzuwandeln: [80]
Anders als Pluto und Neptun, deren Anliegen eher emotionaler Natur sind, inspiriert die Uranus-Prometheus-Energie den menschlichen Geist und drängt ihn zu gesellschaftspolitischen Reformen oder Veränderungen. Insbesondere Jessie Adler Gral sieht im astrologischen Uranus das Prinzip unpersönlicher Menschenliebe und der Verantwortung für das Kollektiv, das sich, im Interesse menschlichen Fortschritts, saturnischer Enge und Verhärtung entgegenstemmt, wie sich Prometheus - im Interesse der Menschheit - der Trennung von Göttern und Menschen in Mekone verweigerte, und für sie das Feuer der Erkenntnis (Bewusstheit; Intuition) stahl. [81] Den Namen Uranus, und die mit ihm assoziierten astrologischen Bedeutungen, so argumentiert Richard Tarnas, scheinen eher dem konventionellen Denken des achtzehnten Jahrhunderts denn irgendwelchen archetypischen Einsichten entsprungen zu sein. [82] Dieser These ging die vorliegende Studie nach, und beleuchtete dazu die Unterschiedlichkeit der mythischen Gestalten Ouranus und Prometheus näher. Den mythologischen Prometheus kennzeichnen – wie den astrologischen Uranus - Bewusstsein und Geist, nicht etwa Fruchtbarkeit, Zeugungskraft und Kreativität - die den mythologischen Ouranos charakterisieren. Die prometheische Fähigkeit, so schildert es der Mythos, liegt darin, sich originell, intuitiv und innovativ, flexibel und uneingeschränkt in der Welt der Gedanken bewegen zu können. Dies mit einer Schnelligkeit, die Gedanken und Ideen wie aus dem Nichts schöpft. Hindernisse fegt er, als revolutionärer Bilderstürmer agierend, der Normen und Traditionen mit plötzlicher Heftigkeit weit über das Übliche hinaus erweitert, radikal zur Seite.

Uranus oder Prometheus – ob diese zukünftig Frage entscheidend ist? Die Astronomie hat diese Entscheidung, wenn auch die falsche, längst getroffen. Astrologen befinden sich nun in der peinlichen Lage, diese Entscheidung mitzutragen. Weder Urania noch Uranus, sondern Prometheus - dies ist unzweifelhaft - repräsentiert die Prinzipien, die die moderne Astrologie als elfte Ur-Energie inzwischen verifiziert hat. Der Name Uranus hat sich inzwischen wohl unaufhebbar etabliert. Die hier vorgetragenen Schlussfolgerungen sind aus einem ganz anderen Grund relevant: Seit dem Einwand von Richard Tarnas muss Prometheus als Schatten des Uranischen betrachtet werden. Auch wenn sein Name im Verborgenen bleiben wird, lässt sich eine Tendenz hervorheben: Prometheus repräsentiert als Herrscher im Wassermann die erlöste uranische Qualität, Ouranos als Nebenherrscher dagegen die unerlöste Seite dieser Ur-Energie. Profunde mythologische Kenntnisse sind in der Formulierung astrologischer Signaturen unerlässlich. Ignoriert man die Erfahrung der voreiligen Benennung des elften Prinzips, so könnten in Zukunft ähnliche Diskussionen um die Berechtigung der Benennung von neu entdeckten Planeten oder Planetoiden, wie beispielsweise die Kentauren, folgen. Erwägt man die in vielen Generationen empirisch gewonnenen Ergebnisse der astrologischen Auseinandersetzung mit Uranus, und vergleicht diese mit den Aussagen des Prometheus-Mythos, muss sich die Astrologie darüber im Klaren werden, wovon sie redet, wenn sie Uranus sagt.

Anmerkungen

[1] Jessie Adler Gral, Die verzauberte Seele. Sucht und Spiritualität im Horoskop, Wettswil, 1993, S.25ff). Vgl. auch Herbert W. Jardner, Tod, Erneuerung und Wiedergeburt. Pluto in Mythologie und Astrologie, unpubliziertes Manuskript, Minden, 1999.

[2] Thomas Ring, Astrologische Menschenkunde, Bd.1: Kräfte und Kräftebeziehungen, Freiburg i.Br., 1990:214.

[3] Jean Gebser, Ursprung und Gegenwart. Kommentar, München, 1973:148.

[4 Urania, die Himmlische, Muse der Astronomie; auch Beiname der Aphrodite, der ersten Göttin und Tochter des Uranus.

[5] Bei dem Neuplatoniker Plotin ist die Weltseele die Energie des Intellekts. Plotin vergleicht das Eine (das schaffende Urprinzip) mit dem Licht überhaupt, dem Intellekt mit der Sonne (Symbol Mars), die Weisheit mit dem Mond (Symbol Venus). Ein anderer Vergleich ist, dass Plotin das Eine mit dem Vater und den Intellekt mit dem Sohne vergleicht. Das Eine, als Uranos bezeichnet, ist transzendent. Der Sohn als Kronos hat die Regierung der sichtbaren Welt. Die Weltseele (als Zeus bezeichnet), erscheint als ihm untergeordnet. [...] Wie Drews bemerkt, ist dies aber auch die Formel der christlichen Trinität (Gott-Vater, Gott-Sohn und Heiliger Geist), wie sie auf den Konzilen zu Nizäa und Konstantinopel kanonisiert wurde (Arthur Drews, Plotin und der Untergang der antiken Weltanschauung, Jena, 1907:127 sowie 133-135).

[6] Die Entdeckung des Planeten Uranus ist ein schönes Beispiel für das Zusammenlaufen zahlreicher Strömungen, die alle das gleiche Ziel hatten: Erfindung, Revolution und Transzendenz (Jeff Jawer Die Entdeckung der äußeren Planeten, in: Noel Tyl (Hg.), Uranus, Neptun und Pluto im persönlichen Erleben, Wettswil, 1994, S.19-20).

[7] Ring, Menschenkunde, S.215. Jean Gebser weist auf markante Entwicklungen in der klassischen Musik hin, die mit dem Auftreten der Transsaturnier begannen. Über die Entdeckung des Uranus schreibt er: Und nicht zufällig fällt die Entdeckung des Uranus musikalisch gesehen in die Zeit Mozarts, in dessen Musik wir erstmals gänzlich »neue« Töne finden; die Ouverture zu der »Entführung aus dem Serail«, deren erste 32 Takte eine neue Tonwelt begründen, [...] entstand genau im Jahre 1781 (Ursprung und Gegenwart. Kommentar, S.148).

[8] Ohne großes Echo bei Astrologen zu finden, weist Richard Tarnas seit 1978 in Vorträgen und Artikeln in unterschiedlichen Magazinen auf diesen Sachverhalt hin (vgl. auch Tarnas, Prometheus, S.9).

[9] Zwischen diesen Eigenschaften und dem Ouranus der griechischen Mythologie, so schreibt er, besteht jedoch nur geringe Übereinstimmung. Nichts in der Mythologie lässt darauf schließen, dass Ouranos ein Genie war, sich auflehnte oder Veränderungen herbeiführen wollte (Tarnas, Prometheus, S.19). Der besseren Unterscheidbarkeit wegen verwende ich den Namen Ouranos für den Vater der Titanen in der griechischen Mythologie, den Begriff Uranus für die jeweiligen astronomisch-astrologischen Zusammenhänge.

[10] Liz Greene, Uranus im Horoskop. Prometheus und die Kunst, das Feuer zu stehlen, Mössingen, 1999:17.

[11] Liz Greene, Uranus im Horoskop, S.19.

[12] Liz Greene, Uranus im Horoskop, S.20.

[13] Für den Begriff des chaotisch Mannigfaltigen vgl. Hermann Schmitz, der das Ur-Chaos als einem ungeformten Ur-Zustand, ein Chaos von Bildekräften beschreibt. Aus diesem individuieren sich Welt und Kosmos, durch die Übergangsphase kosmischer Gestaltungsprozesse (System der Philosophie, Bd.1, Die Gegenwart, Bonn, 1964; ebenfalls Ernst Uehli, Nordisch-Ger-manische Mythologie als Mysteriengeschichte, Stuttgart, 1965:58-59).

[14] Hesiod, Theogonie, Vers 116, St. Augustin, 1990:53.

[15] Hesiod, Theogonie, Verse 126-128:55.

[16] Apollodor, Mythologische Bibliothek I, 1-3 (Apollodorus Mythographus, The Library, Greek Text with English Translation by Sir James George Frazer, 2 Bde., Cambridge undLondon, 1990).

[17] Philipp Metmann, Schicksal und Mythos, Leipzig, 1936; zitiert in: Hajo Banzhaf, Das Tarot-Handbuch, München, 1986:62-63.

[18] Hesiod, Theogonie, Verse 176-181:57-59.

[19] Die Erynnien sind uralte, schlangenartige griechische Erdgöttinnen, die im Hades wohnen, jeden Frevel rächen, und die von den Menschen wegen ihrer Unversöhnlichkeit gefürchtet werden. Bei den Giganten handelt es sich um Riesen der griechischen Urzeit, die sich, von Gaia aufgehetzt, gegen die Götter erheben und nach langem Kampf besiegt werden.

[20] Hesiod, Theogonie, Verse 190-201:59.

[21] Robert van Heeren und Dieter Koch, Pholus. Wandler zwischen Saturn und Neptun, Mössingen, 1995:73.

[22] Herbert J. Rose, Griechische Mythologie. Ein Handbuch, München, 1997:17.

[23] Giorgiode Santillana und Hertha von Dechend vertreten den Standpunkt, dass das hervorragende Stratagem des Mythos darin besteht, Erscheinungen und deren Beziehungen zueinander generell, im besonderen aber Strukturen und das Funktionieren ihrer Teile darzustellen. Da sich physikalische Phänomene und Naturgewohnheiten nur schwer beschreiben lassen, werden personifizierte Kräfte und Abstrakta in der mythischen Rede auf anschauliche Weise vermenschlicht: Nehmen wir als Musterbeispiel die Trennung der Welteltern Uranos und Gaia: Kaum jemand hat je „geglaubt“ oder sollte glauben, Äquator und Ekliptik oder deren Achsen hätten einst aufeinander gelegen; aber der Zustand des um 230 Geneigtseins (die Schiefe) der Ekliptik sowie das Funktionieren des gesamten Gefüges des timäischen Xi lassen sich in Worten sehr schwer beschreiben, weswegen ja auch jeder Studienanfänger der Astronomie auf rotierende Himmelsgloben und geometrische Zeichnungen verwiesen wird (Die Mühle des Hamlet. Ein Essay über Mythos und das Gerüst derZeit, Berlin, 1969:318.

[24] Vom Wirken des Titanen Prometheus wissen wir durch Hesiod, durch ein dramatisches Fragment des Tragödiendichters Aischylos sowie aus einem der Dialoge Platons; daneben haben volkstümliche Erzählungen und Legenden den von Hesiod überlieferten Prometheus-Mythos seit der griechischen Antike durch erläuternde, dem jeweiligen Zeitgeschmack angepasste Nacherzählungen oder Kommentare verwässert (Hesiod, um 700 v.Chr., Theogonie, Verse 507-616; Werke und Tage, Verse 42-105; Aischylos, 525-456 v.Chr., Der gefesselte Prometheus, Verse 436-506; Platon, 427-347 v.Chr., Protagoras, 320c-322d). Hesiod widmet sich ausführlich der Prometheus-Mythologie in seinen beiden Epen Theogonie und Werke und Tage; dem Athener Aischylos verdanken wir eine antike Dramentrilogie (Teil 1: Feuerbringer Prometheus, Teil 2: Der gefesselte Prometheus und Teil 3: Die Befreiung des Prometheus) über das Prometheus-Thema. Außer den hier zitierten Taten des Prometheus, schreiben ihm andere Autoren die Schaffung des Menschen zu (z.B. Ovid, Metamorphosen, 1, 82-88), womit seine Liebe und Unterstützung für diese erklärt wäre. Die hier verwendeten, älteren Versionen des Prometheus-Mythos erwähnen diese Taten des Prometheus nicht. Weitere Erzählungen berichten davon, wie die beiden Brüder, Prometheus und Epimetheus, alle Lebewesen mit ihren Besonderheiten und Fähigkeiten ausstatteten; für den zuletzt berücksichtigen Menschen bleibt schließlich nur noch der Verstand übrig (Platon, Protagoras, XI).

[25] Reinhard Falter, Die Götter der antiken Erfahrungsreligion, Teil 9: Die Menschenfreundlichen: Asklepios, Prometheus, Herakles, Novalis, 7/8, 1997, S.51-54.

[26] Falter, Menschenfreundlichen, S.52.

[27] Hesiod, Theogonie, Verse 507-512, S.87.

[28] Ein Ort Mekone (von griech. Mohn) ist sonst nicht bekannt. Er galt als alter Name für Sikyon in der Argolis (Theogonie, Anm. 37:91). Oder bei Karl-Martin Dietz: Die «Scheidung der Götter und Menschen» gibt den Zeitpunkt der Prometheus-Wirksamkeit an, und es wird auch der Ort genannt: Mekone. Dieser mythische Name weist wohl auf den mit Prometheus verbundenen Bewußtseinsumschwung (vgl. Ring, Menschenkunde, S.68, Uranus als umschwungbewirkendes Prinzip; H.W.J.) der Menschen hin: Mohn als Pflanze des Vergessens (Metamorphosen des Geistes, Bd.1: Prometheus – Vom göttlichen zum menschlichen Wissen, Stuttgart, 1989:37).

[29] Wöluspa, Vers 58 und 59, in: vgl. Wöluspa (Der Seherin Weissagung), in: Die Edda, übersetzt von Karl Simrock, Vers 8 und 9:8 und Vers 58-59:14, Essen, o.J. bzw. Die Edda, übersetzt von Felix Genzmer, Vers 53:41, München, 1981. Die hier erwähnten goldenen Tafeln oder Bälle beziehen sich auf das mit Runen verbundene Losorakel der Germanen.

[30] Kallimachos, Aitia, Fragment 119, in: Die Dichtungen, übertragen von Ernst Howald und Emil Steiger, Zürich, 1955.

[31] Hesiod, Werke und Tage, Verse 109-123.

[32] Vgl. auch Mircea Eliade, Schamanen, Götter und Mysterien. Die Welt der alten Griechen, Freiburg i.Br., 1992:20-23.

[33] Hesiod, Theogonie, Vers 535-561.

[34] Homer, Ilias, 23, 239-244, übersetzt von Hans Rupé, München, 1990:477.

[35] Dietz, Metamorphosen, Bd.1, S.39 und 41. Dietz, Metamorphosen, Bd.1:39 und 41.

[36] Gaston Bachelard, Psychoanalyse des Feuers, Frankfurt a.M., 1990:13.

[37] Hans-Dieter Leuenberger, Das Rad des Lebens, Schule des Tarot Bd.1, Freiburg i.Br., 1981:68.

[38] Bachelard, Psychoanalyse, S.13. Bachelard, Psychoanalyse, S.13.

[39] Marie-Louise von Franz, Psychologische Märcheninterpretation, München, 1986, 31 und 141. Vgl. auch Carl Gustav Jung, der viele Beispiele für den Zusammenhang, dass der Mensch unmittelbar die seelische Energie verehrt, wenn er sich auf Gott, die Sonne oder das Feuer bezieht, anführt (Das Lied von der Motte, in: Symbole der Wandlung, Solothurn und Düsseldorf, 1995:114ff).

[40] Dietz, Metamorphosen, S,41.

[41] Hesiod, Werke und Tage, Vers 50-52.

[42] Manfred Krüger, Wandlungen des Tragischen, Stuttgart, 1973:29.

[43] Liz Greene, Neptun. Die Sehnsucht nach Erlösung, Zollikon, 1996:57-58.

[44] Und doch trägt Prometheus das Vorwissen schon im Namen, ist darin Zeus sogar überlegen. In der Titanenschlacht stellt er sich im Wissen um den Sieg auf die Seite der Olympier (Falter, Menschenfreundlichen, S.53).

[45] Dietz, Metamorphosen, S.41.

[46] Falter, Menschenfreundlichen, S.53.

[47] Hesiod, Werke und Tage, Verse 96-98.

[48] Aischylos, Der gefesselte Prometheus, in der Übersetzung von J.G. Droysen, Stuttgart, 1944:20. Im analogen Denken der frühen Griechen sind Adler und Leber Zeus-Synonyme. Im Bild der schwarzbenagten Leber, dem divinatorischen Organ der Willensbekundung der Götter und Ahnen schlechthin, opfert Prometheus den Olympiern nicht allein Voraussicht und intuitives Denken, mit dem Leber-Opfer vollzieht er die Rückbindung an das Goldene Zeitalter von Mekone in eigener Person.

[49] Falter, Menschenfreundlichen, S.53.

[50] Tarnas, Prometheus, S.19.

[51] Hesiod, Theogonie, Vers 155-160:57.

[52] Es ist sicherlich ein lohnender Versuch darüber nachzudenken, ob Ouranos in seiner mutterlosen Töchter Aphrodite (Venus) überlebt hat, deren Geburt an die der Pallas Athene durch Zeus erinnert. Aphrodite, deren Geburt aus dem abgetrennten Phallus des Ouranos sie als Titanin, und nicht als Olympierin, ausweist, ist eng mit der Mythologie des Himmelsgottes Ouranos verbunden. Prometheus ist der Sohn von Iapetos, einem der Kinder von Gaia und Ouranos, und somit der Neffe Aphrodites.

[53] Aischylos, Prometheus, Vers 445-468, in: Tragödien und Fragmente, herausgegeben und übersetzt von Oskar Werner, München, 1969.

[54] In der Ethnologie ist ein Kulturheros (Demiurg) ein anthropomorphes oder therimorphes Wesen mythischer Urzeit, das mit übernatürlichen Kräften ausgestattet ist. Ein Kulturheros zeichnet sich durch seinen ambivalenten Charakter aus; ihm werden außergewöhnliche Taten zugeschrieben. Seine Aufgabe besteht insbesondere darin, der Menschheit die verschiedensten Kulturgüter zu übermitteln, bedeutende Institutionen und Zeremonien zu stiften. Auf diese Weise wird er zum Begründer des gegenwärtigen Zeitalters mit seinen Einrichtungen, Techniken und Überzeugungen.

[55] Im Zusammenhang mit den psychischen Fähigkeiten der Intuition (Feuer) und des Denkens (Luft) spricht sich in Prometheischen das Wesen der von der Erdverbundenheit losgelösten Menschheit aus (Falter, Menschenfreundlichen, S.52).56Haydn Paul, Neptun. Der visionäre Träumer, München, 1992:26.

[56] Haydn Paul, Neptun. Der visionäre Träumer, München, 1992:26.

[57] Jean Gebser, Ursprung und Gegenwart, 1.Teil: Die Fundamente der aperspektivischen Welt, München, 1973:83. Vgl. auch Theo Röttgers, Die Welt ohne Gegenüber; Jean Gebser, Theorie des integralen Bewußtseins, Novalis 4, 1998:15-19 und 60. Theo Röttgers fasst Gebsers Theorie in synoptische Tabellen. In Bezug auf die archaische Struktur nennt er die folgenden Kriterien: Raum- und Zeitbezogenheit/ Betontheiten: vorräumlich / vorzeitlich; Wesen: Identität (Ganzheit); Charakter: ganzheitlich; Relations- und Denkformen / Art und Weise: ursprünglich; generelle Bezüge: All-bezogen (kosmisch).

[58] Dschuang Dsi, Das wahre Buch vom südlichen Blütenland, übersetzt von Richard Wilhelm, Jena, 1940:12 und 226.

[59] Gebser, Ursprung und Gegenwart. Teil 1:85.

[60] Auch wenn er die Menschen nicht geformt hätte, wäre Prometheus als Bringer der Kulturgrundlagen doch der Initiator des Menschengeschlechts. Prometheus ist der Bringer des Feuers und der Bringer des Bewußtseins, das immer zunächst Bewußtsein der eigenen Endlichkeit ist(Falter, Menschenfreundlichen, S.53; Ludwig Klages, Der Geist als Widersacher der Seele, Bonn, 1972:750).

[61] Sein Wissen um die Relativität der Zeusherrschaft, auf welcher der Fluch des Kronos lastet, verführt ihn zu einer Relativierung der Frömmigkeit, er versucht, die Menschen von den Göttern abzuwenden, indem er ein zweckrationales Verhältnis zum Opfer hineinbringt (F.G. Jünger, Griechische Mythen, Frankfurt, 1947:84). Damit legt er die Basis für die Aufhebung des Verhältnisses von Allleben und Einzelleben, das das archaische Bewusstsein noch nicht kannte.

[62] Falter, Menschenfreundlichen, S.53.

[63] Ein Demiurg, der nach anthroposophischer Auffassung in der Glanzzeit von Atlantis gewirkt hat (Sigismund von Gleich, Marksteine der Kulturgeschichte, Bd.1-4, Stuttgart, 1982:234-235).

[64] Vgl. Ring, Menschenkunde, S.68. Thomas Ring spricht im Zusammenhang mit uranischen Mutation auch von einem Naturprinzip (S.68).

[65] Eingebung versteht Thomas Ring als spontanes in den Griff bekommen präziser Lösungen, und Mutation als ein sprunghaftes Erscheinen von Einfällen und Ereignissen, die nicht im kausalen Sinne miteinander korrespondieren, sondern sich im freien Spiel der Natur wie von selbst ergeben, und die oft Merkmale Jungscher Synchronizität aufweisen. Immer streben Intuition und Mutation jedoch nach der Umstrukturierung bestehender Verhältnisse: Im menschlichen Geist jedenfalls kennen wir ihm analog eine erfinderische, spontan neukonstruierende Fähigkeit; aus dem Druck von Notlagen oder der Situation vorauseilend schafften wir technische Dinge, die den Gesamtbedingungen unser Existenz anders begegnen, unseren Lebensstil von außen her umwälzen. Im Seelischen wiederum, wenn eine hoffnungslose Verstrickung von Bedrängnissen zur Krise führt, kann vom «Blitze des Wahnsinns beleckt» (Nietzsche) bei einigen der Durchstoß einer Blickweise eintreten, aus der sich ihnen schlagartig alles verwandelt (Ring, Menschenkunde, S.212).

[66] Ring, Menschenkunde, S.214.

[67] von Gleich, Marksteine, S.235.

[68] Metmann, Schicksal und Mythos; vgl. oben, Anm.17.

[69] Metmann, ebenda.

[70] Adler Gral, verzauberte Seele, S.42. In einem anderen Zusammenhang stellt Jessie Adler Gral Uranus als das Prinzip vor, das die starren Ego-Strukturen des Saturn (Hüter der Schwelle) in jedem Fall plötzlich sprengen und erweitern will (S.25), sodass sich die Rollen zwischen Vater und Sohn völlig verkehren, denn im Mythos ist es Kronos (Saturn), der Sohn, der sich gegen des Vaters (Ouranos) Versuch, prozessuales Werden zu verhindern, wendet.

[71] Von Gleich, Marksteine, S.236.

[72] Vgl. auch Detlev Hover, Spirituelle Horoskopanalyse, Meridian 6 / 97:42. Thomas Ring weist zusätzlich auf einen wichtigen Sachverhalt hin: Während «merkurisch» der Lichtkegel des Bewußtseins von Moment zu Moment folgerichtig weiterrückt auf das jeweils anfallende Glied der logischen Kette, stößt der «uranische» Blitz unvermittelt und ohne Rücksicht logischer Gedankenführung auf dasjenige, bewußt oft noch nicht gesichtete Glied, mit dem die ganze Kette vom aktuellen Punkt aus erfaßt werden kann (Menschenkunde, S.219).

[73] Jessie Adler Gral, Uranische Liebe, Meridian 6, 1998:36.

[74] Ring, Menschenkunde, S.213.

[75] Ring, Menschenkunde, S.213.

[76] Die transsaturnischen Planeten Uranus, Neptun und Pluto - die auch die geistigen Planeten genannt werden - bilden eine Einheit, die in der indischen Philosophie als die höhere Dreiheit, bestehend aus Manas, Buddhi und Atman, bezeichnet wird. Die Dimension des Horoskops, die diese drei Planeten repräsentieren, wird auch als transpersonale Ebene bezeichnet, da sie über die Ebene der Persönlichkeit hinausgehen und mit dem geistigen Wesen des Menschen korrespondieren.

[77] Es ist eigentlich nicht möglich, genaue Grenzen zwischen Uranus, Neptun und Pluto zu ziehen; trotzdem ist es aufschlußreich, auf ihre jeweils unterschiedlichen Wirkungsweisen und –ebenen und ihren Einfluß auf den Menschen hinzuweisen. Die Berührung mit diesen Ebenen führt uns in das Reich der Paradoxa und Widersprüche; mit einer Hand spenden sie uns einen heiligen und göttlichen Segen, mit der anderen zerschmettern sie Leben und Gesellschaften, auf einem Gesicht nimmt der Mensch das Leuchten Gottes wahr, wenden sie uns das andere zu, sieht man das bösartige Grinsen des »Teufels« (Paul, Neptun, S.25).

[78] Rudolf Steiner, Engel, Volksgeister, Zeitgeister, in: Wolf-Ulrich Klünker, Vom Wirken der Engel. Themen aus dem Gesamtwerk, Bd.17, Stuttgart, 1996:123-124. Thomas Ring spricht in diesem Zusammenhang von Wesenskräften, Rudolf Steiner Wesenheiten.

[79] Steiner, Engel, S.130.

[80] Steiner, Engel, S.130. Gerät ein Wesen in Bedingungen, völlig ungleich denen, auf die es angelegt ist, so wird es normalerweise untergehen. Sein Schicksal hat sich erfüllt, weil die Anpassungsmöglichkeiten innerhalb seiner Struktur erschöpft sind. Dem zu entgehen, hätte es einer radikalen Verwandlung und Neuordnung bedurft (Ring, Menschenkunde, S.212).

[81] Adler Gral, verzauberte Seele, S.44 sowie Uranische Liebe: Obwohl das 11. kosmische Energieprinzip äußerst radikal ist und in seiner kühlen Distanziertheit gelegentlich unmenschlich erscheint, ist die Triebfeder uranischen Denkens und Handelns hochgradig idealistisch. Uranus liebt nicht eine einzelne Person oder die Mitglieder eines kleinen Vereins, Uranus liebt die große Menschheitsfamilie (S.36).

[82] Tarnas, Uranus, S.20.

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