Mittwoch, 19. Oktober 2016

Astrologie. Psychologie. Mythologie - Teil Zwei


Das mythologische Fundament der Astrologie ist ein doppeltes und eng an die historischen und kulturellen Bedingungen gebunden, die mit den indoeuropäischen Migrationen seit dem dritten vorchristlichen Jahrtausend in Europa begannen. Im Verlauf dieser Völkerwanderungen nach Europa entstand die Zivilisation und Mythologie der Kelten in Westeuropa, die der Griechen in Südeuropa und zuletzt die der Germanen in Nord- und Mitteleuropa aus der Synthese vorgefundener und importierter religiöser und philosophischer Vorstellungen. In diesen Schmelztiegel der Kulturen und Überzeugungen geriet die von den handeltreibenden Bevölkerungen der Ägäis aus dem Vorderen Orient nach Europa eingeführte Astrologie, bildeten sich die kulturspezifischen mythologischen Quellen, aus denen die Astrologie im Bemühen um ein Verständnis des Menschen bis heute schöpft. Die Symbolik der modernen Astrologie, die im antiken Griechenland ihre erste, im europäischen Mittelalter eine zweite Transformation und in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihre dritte Veränderung auf europäischem und angloamerikanischen Boden erfuhr, entstand ihr Symbolsystem ganz in Abhängigkeit von diesen orientalischen und indoeuropäischen Traditionen. Die Griechen waren die ersten, die die für eine Rezeption in einer anderen kulturellen Umgebung und Sprache notwendigen Korrekturen der Symbole, ihrer Bedeutung und des erforderlichen klassifikatorischen Rahmens vornahmen. Von erheblichen astronomischen Verbesserungen einmal abgesehen, modifizierten die Griechen die übernommene orientalische Symbolik indoeuropäisch. Die eingeführten Neuerungen und Veränderungen bezogen sich auch auf die Namen der Tierkreiszeichen und Planeten, die der griechisch-römischen Mythologie entnommen wurden, einer Variante der eurasischen Mythologien der Indoeuropäer, zu denen die Griechen, Kelten, Römer, Inder und Germanen gehören. Wie das Alphabet von den Phöniziern, übernahmen die Griechen die Astrologie der Babylonier und Ägypter und gaben ihr die im wesentlichen noch immer gültige Form. Gleichzeitig formulierte das antike Griechenland erstmals Zweifel an der Gültigkeit der zentralen These babylonischer Astrologie, dass die Götter mit den Vorgängen am Himmel den Menschen ein Zeichen geben wollten. Was dem Astrologen Babylons als Omen galt, so die Erkenntnis griechischer astronomischer Beobachtung und Philosophie, folgte vorausberechenbaren planetaren Bewegungen und Zyklen. Schon Platon entzog der in der heutigen Vulgärastrologie noch vertretenen Meinung den Boden, dass die Astrologie verlässliche Omendeutung sei. [21] Im zweiten Jahrhundert rehabilitierte dann Claudius Ptolemäus die Astrologie, präsentierte ein überarbeitetes Symbolsystem, das er im Tetrabiblos als eine Krone des Menschengeschlechts und ihre ehrwürdige Weisheit als ein Zeugnis Gottes [22] preist. Er leitet so zur klassischen Astrologie des Mittelalters über, die im 20. Jahrhundert durch die ausführliche Revision von Thomas Ring in ihre moderne Form als psychologisch basiere Astrologie überführt wurde. [23]

Montag, 17. Oktober 2016

Astrologie. Psychologie. Mythologie - Teil Eins


Nun da der Abend unser Aug´ umflort,
Betracht´ ich zukunftssüchtig die Gestirne,
Durch die uns Gott in Lettern, wohl zu deuten,
Der Kreaturen Los und Schicksal kündet.
Denn der aus Himmelshöhn die Menschen schaut,
Weißt ihm aus Mitleid oft den rechten Pfad
In seiner Sterne Schrift am Firmament.
Doch wir im Staube haftend, sündenschwer,
Verachten solche Schrift und sehn sie nicht
.
William Shakespeare

Wie an dem Tag, der dich der Welt verliehen,
Die Sonne stand zum Gruße der Planeten,
Bist alsobald und fort und fort gediehen,
Nach dem Gesetz wonach du angetreten.
So mußt du sein, dir kannst du nicht entfliehen,
So sagten schon Sibyllen, so Propheten;
Und keine Zeit und keine Macht zerstückelt
Geprägte Form, die lebend sich entwickelt
.
Johann Wolfgang Goethe

Esoterik bedeutet etwas mehr dahinter, als es dem äußeren Anschein entspricht. [1] Mit der einige Jahrtausende alten Astrologie hat sich die Menschheit ein mächtiges Instrument auf ihrem Entwicklungsweg geschaffen, das Mikro- und Nakrokosmos miteinander verbindet. Die Astrologie entstand, nachweisbar vor 5000 Jahren im Zweistromland, als eine Weltanschauung vom harmonischen Zusammenwirken von Himmel, Erde und Mensch, verbunden in einer Mythologie und Astrologie gemeinsamen Ordnung. Gemäß der astrologischen Theorie ist der Mensch solcherart in kosmische Prozesse integriert, dass er sich durch die symbolische Klassifikation der Planeten und Tierkreiszeichen ein Bilderbuch der menschlichen Seele (W. Knappich) geschaffen hat, Archetypen (C.G. Jung) oder Wesenkräfte (Th. Ring) als dynamische Ur-Prinzipien. Auf diese Weise korreliert seine innerpsychische Befindlichkeit mit den Funktionen und Prinzipien des Kosmos, entsteht in seinem Leben Sinn und Zusammenhang. In einem Sendschreiben an den Ägypter Ammon formuliert Hermes Trismegistos die Grundvoraussetzung jeder Astrologie: Die Menschen, mein lieber Ammon, werden eine kleine Welt genannt, da sie mit der Natur der Welt verbunden sind. Bei der Empfängnis durchfährt den Menschen eine Ansammlung von Strahlen der sieben Planeten und in der Stunde der Geburt Strahlen entsprechend der Stellung der Tierkreiszeichen. [2] Der Mikrokosmos ist die kleine Welt der Menschen, der Makrokosmos die große Welt, das Universum. [3] Der Philosoph Ernst Cassirer würdigte die Geschlossenheit des astrologischen Weltbildes als den großartigsten Versuch einer systematisch-konstruktiven Weltbetrachtung, der je vom menschlichen Geist gewagt wurde. [4] Manche bezeichnen die Astrologie deshalb wohl auch als den Königsweg der Esoterik.